Kantonale Mindestlöhne sollen für Entsandte aus der EU nicht gelten
Ausländische Arbeitgeber, die Angestellte in die Schweiz entsenden, sollen diesen keine Mindestlöhne nach kantonalen Gesetzen zahlen müssen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Ständerat Fabio Abate fordert vom Bund die Einhaltung der Mindestlöhne bei Ausländern.
- Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion des Tessiners.
Der Tessiner FDP-Ständerat Fabio Abate möchte den Bundesrat mit einer Motion beauftragen, das Entsendegesetz zu ändern. Er begründet dies mit der Annahme einer kantonalen Volksinitiative. In der Tessiner Verfassung ist seither der Anspruch auf einen Mindestlohn verankert.
Das Gesetz zur Umsetzung sieht einen Mindestlohn zwischen 18,75 und 19,25 Franken pro Stunde vor. Falls es in Kraft trete, müssten unbedingt auch ausländische Firmen, die Personal ins Tessin entsandten, zur Einhaltung dieser Mindestlöhne verpflichtet werden können, fordert Abate. Er verweist auf die Situation auf dem Tessiner Arbeitsmarkt.
Nur Bundesgesetze
Heute schreibt das Entsendegesetz vor, dass die Arbeitgeber den Entsandten jene Lohnbedingungen garantieren müssen, die im Bundesrecht, in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen vorgeschrieben sind. An kantonale Gesetze sind sie nicht gebunden.
Der Bundesrat will das nicht ändern. Die flankierenden Massnahmen seien ein wirksames Instrumentarium zum Schutz vor Lohndumping, schreibt er in seiner am Donnerstag veröffentlichten Antwort. Mindestlöhne in den Kantonen verfolgten dagegen den Zweck, die Armut zu bekämpfen. Gemäss einem Bundesgerichtsurteil von 2017 sei der Mindestlohn nämlich nur als sozialpolitische Massnahme mit Bundesrecht vereinbar.
Ausnahmen im Gesetz
Eine Aufnahme der kantonalen Mindestlöhne im Entsendegesetz würde gemäss Bundesrat ausserdem dem Geltungsbereich der kantonalen Gesetze widersprechen. Gemäss der Botschaft des Regierungsrats des Kantons Tessin zum neuen Mindestlohngesetz gilt dieses nur für jene Arbeitnehmenden, die gewöhnlich im Tessin ihrer Arbeit nachgehen. Die gelegentlich im Tessin Tätigen sind ausgenommen.
Der gleiche Wortlaut finde sich auch im Gesetz des Kantons Neuenburg, schreibt der Bundesrat. Der Bund habe keine Kompetenz, den Geltungsbereich von kantonalen Mindestlohngesetzen zu erweitern.
Mehr Kontrollen nötig
In einer ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Antwort auf eine Interpellation von SVP-Nationalrat Thomas Aeschi (ZG) äussert sich der Bundesrat zum Kontrollaufwand im Zusammenhang mit den flankierenden Massnahmen. Die Vollzugsorgane hätten die Anzahl Kontrollen der Entwicklung angepasst, schreibt er. Die Zahl der Dienstleistungen durch Entsandte habe seit 2011 um rund 40 Prozent zugenommen.
Weiter weist der Bundesrat darauf hin, dass vor der Personenfreizügigkeit eine Bewilligungspflicht für Arbeitskräfte und grenzüberschreitende Dienstleistungen aus der EU galt. Die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sei für jede Anstellung geprüft worden, mit entsprechendem Aufwand für die Arbeitgeber.
Kontrollaufwand verhältnismässig
Seit Einführung der Personenfreizügigkeit werde sie gezielt nach Stellenantritt kontrolliert. Für die Arbeitgeber bedeute das eine erhebliche administrative Erleichterung. Die Kontrolltätigkeit der Vollzugsorgane sei verhältnismässig, risikoorientiert und zielgerichtet. Die positive Entwicklung der Löhne in der Schweiz zeige, dass das aktuelle System akkurat funktioniere.
In den letzten Wochen wurde diskutiert, ob die Schweiz der EU bei den Flankierenden Massnahmen entgegen kommen sollte, um die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen voranzubringen. Für die Gewerkschaften ist der Lohnschutz unantastbar.