Lohnungleichheit: Ruedi Noser vermisst eine sachliche Diskussion
Der Bund verteidigt seine Methode zur Erhebung der Lohnungleichheit als geeignet. Das sehen nicht alle so. FDP-Ständerat Ruedi Noser ist unzufrieden.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Lohnunterschied zwischen Mann und Frau beträgt gut 18 Prozent, teils unerklärbar.
- Wie gross der unerklärte Anteil ist, hängt von den gemessenen Faktoren und der Methode ab.
- Ruedi Noser glaubt, dass sich derzeit niemand für eine sachliche Diskussion interessiert.
Ob Frauen bezüglich Lohn diskriminiert werden, scheint weniger klar als gemeinhin angenommen. Die Kritik lautet kurz zusammengefasst: Die vom Bund gemachte Lohnanalyse berücksichtigt zu wenige Faktoren.
Würden etwa tatsächliche Berufserfahrung, Weiterbildungen oder Anzahl Jobwechsel berücksichtigt, könne mehr als die gut siebeneinhalb Prozent unerklärter Lohndifferenz begründet werden.
Das sieht auch Ruedi Noser so. Der FDP-Ständerat stellte bereits 2014 einen Antrag beim Bundesrat: Die Erhebungsmethode bei der Lohnanalyse müsse überprüft werden.
Welche Faktoren braucht es für die Analyse der Lohnungleichheit?
Nach externer Analyse kam der Bundesrat jedoch zum Schluss: «Die vom Bund angewandten statistischen Modelle sind aus wissenschaftlicher Sicht anerkannt und geeignet, um Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern zu messen.»
Damit war die Kritik vom Tisch. Auch Ruedi Noser akzeptierte die Beurteilung. Dennoch: angesprochen auf das Thema Lohnanalyse sagt der Unternehmer zu Nau: «Ich bin mit der Diskussion sehr unzufrieden.»
Das Bundesamt für Statistik BFS entgegnet, dass die von Noser vorgeschlagenen zusätzlichen Variablen auf ihre Realisierbarkeit geprüft worden seien. Resultat: «Die verwendeten Faktoren zur Erklärung von Lohnunterschieden entsprechen dem Stand der Wissenschaft und sollten beibehalten werden.»
Branchenanalysen können ungleiche Löhne besser erklären
Die von Noser vorgeschlagenen Faktoren Weiterbildungen, Sprachkenntnisse und Führungserfahrung empfiehlt der Bericht zwar nicht, da sie wenig zusätzliche Erklärungen liefern würden.
Allerdings: «Für die Faktoren effektive Berufserfahrung und Arbeitszeitmodelle sowie physische/psychische Belastungen soll geprüft werden, ob die notwendigen Informationen sinnvoll erhoben werden könnten.»
Branchenspezifische Lohnvergleiche können lediglich zwei Prozent – statt wie der Bund 7,7 Prozent – der Lohndifferenzen nicht erklären. Dies, weil sie zusätzliche Faktoren seit Jahren miterheben.
Zum Beispiel die tatsächliche Erwerbserfahrung. Branchenanalysen berücksichtigen Unterbrüche oder Teilzeitarbeit in der jeweiligen Berufskarriere einer Person. Der Bund erhebt hingegen nur die «potenzielle Erwerbserfahrung»: Das Lebensalter minus 15 Jahre.
Ruedi Noser: Politischer Wille fehlt
Arbeitgeberverband-Sprecher Fredy Greuter und Ruedi Noser sind deshalb einig: «Von einer systematischen Lohndiskriminierung kann in einer ernsthaften Diskussion keine Rede sein.» Die siebeneinhalb Prozent unerklärte Lohndifferenz seien eindeutig zu hoch.
Noser vermutet, dass derzeit kein Interesse daran bestehe, sich mit dem Thema Lohn sachlich auseinanderzusetzen. «Offenbar ist der politische Wille nicht vorhanden, den Tatsachen in die Augen zu sehen.»
Die Statistiker des Bundes weichen aus und wiederholen: «Das BFS veröffentlicht die Ergebnisse einer Analyse, die sich auf eine anerkannte Methode stützt», heisst es auf Anfrage.