Martin Suter fürchtet sich vor Sozialdetektiven
Autor Martin Suter hat sich auf Twitter mit einem Gedicht gegen Sozialdetektive gewandt. Nau wollte wissen, warum er sich vor dem Überwachungsgesetz fürchtet.
Das Wichtigste in Kürze
- Martin Suter reimte auf Twitter gegen Sozialdetektive.
- Das neue Überwachungsgesetz erinnere zu sehr an den Fichen-Skandal der Neunziger.
Turbulente Zeiten für den Zürcher Autor Martin Suter: Erst hat er die Sozialen Medien für sich entdeckt und munter zu twittern begonnen. Dann hat sein Haus-Verlag Diogenes ihm die Suppe gründlich versalzen: Man meldete das Twitter-Profil des eigenen Autors als Fake – ohne den Mann selber auch nur zu fragen, ob nicht vielleicht doch er selber hinter den munteren Reimen auf Twitter stecke.
Bevor ihm der Zwitscher-Hahn zugedreht worden ist, hatte Suter sich während zwei Tagen digital aus seinem Alltag gemeldet. Das war meistens lustig, immer gekonnt und einmal politisch:
Suter hat Sorgen
Obwohl er kein Geheimnis aus seiner politischen Meinung mache, war ein politischer Twitter-Account nie sein Ziel, erklärte Suter gegenüber Nau. «Aber das Überwachungsgesetz macht mir Sorgen. Ich finde es bedenklich, dass man sich heute schon nicht mehr an die Fichen-Affäre erinnert.»
Zwischen 1900 und 1990 hatten die Schweizer Behörden verdeckt Informationen zu mehr als 700'000 Personen und Organisationen in der Schweiz gesammelt, die sie als Bedrohung für den Schweizerischen Bundesstaat einschätzten. Die Fichierung von Privatpersonen führte ab 1989 zu einem Aufschrei in der Bevölkerung und brachte der Schweiz den missbilligenden Titel «Schnüffelstaat» ein.
Viele Fichen waren nicht nur schwer zu rechtfertigen, sondern auch weit weg von einer Sammlung nüchterner Informationen: «Als eine meiner Verwandten ein Kind bekam, schrieb ihr Überwacher: ‹X hat ein Kind bekommen. Armes Kind.› Von dieser Verächtlichkeit werden auch die Überwachungsprotokolle der Sozialdetektive durchdrungen sein, wenn das Überwachungsgesetz durchkommt», schreibt Suter in einem Gastbeitrag im «Tagesanzeiger».
Darum habe er erst sein Stimmcouvert mit einem «nein» zu Sozialdetektiven und Überwachungsgesetz bestückt und danach auf Twitter in die Tasten gegriffen.
Wer wird diesen Job machen?
«Ich bin auch kein Befürworter von Versicherungsbetrug», sagt Suter zu Nau. Aber es gebe eine Grenze, die wir nach dem Fichen-Skandal nicht noch einmal überschreiten sollten. «Wir müssen uns auch fragen, wer den Beruf des Sozialdetektives ausüben wird. Sehr wahrscheinlich nicht die moralische und geistige Elite der Gesellschaft.» Es bleibt die Frage: Wollen wir diesen Menschen so viele Freiheiten und Zugänge einräumen?
«Nein», finden Suter und die Gegner des Überwachungsgesetzes. Allzu optimistisch allerdings blickt der Autor nicht in die nahe politische Zukunft: «Ich kann mir gut vorstellen, dass das Überwachungsgesetz am 25. November angenommen wird. Und das macht mir Angst. Denn wenn die Überwachung der Bürger privatisiert wird, wann dürfen uns die Banken überwachen lassen? Und die Arbeitgeber? Und die Vermieter?»
Ein zweites Nein
Doch auch die Selbstbestimmungsinitiative der SVP beschäftigt den Autor. Suter bezeichnet diese auf Twitter als «Menschenrechtsabschaffungsinitiative».