Physio-Verband kritisiert fehlende Krisen-Hilfe

Selbständige erhalten vom Bund weiterhin keine Unterstützung. Beim Verband Physioswiss wird man langsam hässig: Die Begründung des Bundesrats sei «lächerlich».

Eine Physiotherapeutin im Ärztehaus Seebach in Zürich korrigiert die Übung einer Patientin, aufgenommen am 19. August 2019. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Für viele Selbständigerwerbende gibt es vom Bund noch keine Unterstützung in der Krise.
  • Physioswiss kritisiert dies scharf: Die Hälfte der Praxen stehe vor dem Konkurs.
  • Die Begründung des Bundesrats für die Verzögerungen sei «lächerlich».

«Es ist ein bisschen kompliziert»: So erklärte Bundesrat Alain Berset gestern die Nicht-Antwort auf die Sorgen und Nöte der Selbständigerwerbenden. Osman Besic, Geschäftsführer des Verbands Physioswiss, kann darob nur den Kopf schütteln.

«Das ist lächerlich. Was ist in dieser Zeit schon nicht kompliziert und komplex? Es geht um eine politische Entscheidung zu Gunsten von Menschen, die an den Folgen einer gesellschaftlichen Katastrophe leiden. Genau so wie alle anderen Erwerbstätigen.»

500'000 Selbständige verzweifelt

Die Hälfte der Physio-Praxen stehe wegen der Corona-Krise vor dem Konkurs, teilt der Verband mit. Dass ihnen nicht geholfen wird, ist für Besic unverständlich: «Was soll ich sagen… Es ist ja nicht so, dass sie einen Impfstoff für Corona erfinden müssen. Es geht um Überbrückungshilfe.»

Es gehe immerhin um 500'000 Selbständige, vom Taxifahrer bis zum Tierarzt. «Es geht nicht um die Lösung sämtlicher Probleme, es geht um das Überleben der Betriebe», betont Besic.

Der Bundesrat will sich bei den Mieten nicht einmischen. - keystone

Dass es schwierig sei, geeignete Massnahmen mit geringem Missbrauchspotenzial zu finden, lässt er nicht gelten. «Es kann nicht sein, dass 500'000 Schicksale einfach egal sind. Die bisherigen Entscheide sind auch nicht wasserdicht, aber trotzdem wurde mal entschieden und dann schaut man weiter.»

«Sollen wir etwa Spargeln stechen gehen?»

Die Selbständigen seien verzweifelt wegen der ungewissen Zukunft und den berechtigten Existenzängsten, sagt Besic. Auf später zu vertrösten, sei für Physioswiss ein absolutes No-go. «Wir erhalten Hunderte von Zuschriften von Praxen, die demnächst schliessen müssen.»

Spargelstecher ernten Spargeln auf einem Feld der Juckerfarm, fotografiert am 30. März 2020 in Rafz, Kanton Zürich. - Keystone

Verkehrte Welt: Physio-Praxen, Psychotherapeuten und andere Gesundheitsberufe dürfen nicht schliessen, weil sie systemrelevant sind. Deshalb sind sie nicht entschädigungsberechtigt, haben aber weniger Kundschaft. Derweil kommt vom Bundesrat nichts: «Das ist einfach kein Vorgehen», kritisiert Besic. «Sollen denn die Physiotherapeuten Spargeln stechen gehen?»

Vorschläge liegen auf dem Tisch

Das wäre sicher auch nicht im Sinne des Erfinders – auch Gourmets werden eingestehen müssen, dass Spargeln nicht systemrelevant sind. Ideen, wie den Selbständigen unbürokratisch geholfen werden könnte, gäbe es derweil durchaus. Der Verband der Freien Berufe (SVFB) nennt unter anderem Krediten, die allenfalls nach einer Überprüfung erlassen werden könnten.

«Was haben sie dann behandelt?»

Physiotherapeuten demonstrieren für höhere Löhne, am Montag 19. März 2012, auf dem Bundesplatz in Bern. - Keystone

Osman Besic von Physioswiss begrüsst diese Vorschläge: «Das ist absolut richtig, es gibt etliche Möglichkeiten.» Kein Verständnis hat er dagegen für die Ankündigungspolitik des Bundesrats, auch für die Selbständigerwerbenden etwas zu tun.

«Sie haben es versprochen und vor einer Woche angekündigt. Aber gestern sagen sie dann, sie hätten es im Bundesrat noch nicht mal behandelt. Das darf doch nicht wahr sein! Ja was haben sie dann behandelt?»