Der Prager Frühling wurde vor 50 Jahren mit Panzern beendet
Zu Beginn des Jahres 1968 herrschte in der ehemaligen Tschechoslovakei (CSSR) Tauwetter. Doch am 21. August 1968 wurde der Prager Frühling jäh niedergeschlagen.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor 50 Jahren wurde in Tschechien der «Prager Frühling» gewaltsam beendet.
- Russland hielt nichts von Tschechiens Wunsch nach «Sozialismus mit menschlichem Antlitz».
- Die Schweizer Botschaft geriet unter Beschuss, die Bevölkerung nahm regen Anteil.
Bern, 21. August, 11.30 Uhr. «Gerieten unter sowjetisches Feuer. Schüsse wurden auf Botschaftsgebäude gerichtet», kabelt die Schweizer Vertretung in Prag vor exakt 50 Jahren nach Bundesbern
Panzer und Schüsse in Prag, dabei hatte zu Beginn des Jahres 1968 in Tschechien alles nach Tauwetter ausgesehen. Im Februar titelte die NZZ «Der neue Wind in Prag» und beschrieb die neue, reformorientierte Politik, von Alexander Dubček, Generalsekretär der tschechoslowakischen Kommunisten.
Tauwetter in der Tschechoslovakei
Im Januar hatte er seinen russland-treuen Vorgänger Antonín Novotný abgelöst. Nun wollte er sein Land Stück für Stück in einen «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» führen. Die anfängliche Dankbarkeit gegenüber der Sowjetunion als Befreier im Zweiten Weltkrieg trat in vielen Staaten des Ostblocks immer mehr hinter wirtschaftlichen Krisen und gesellschaftlichen Problemen zurück. Die Menschen forderten Meinungs- und Reisefreiheit, die Wirtschaft brauchte Handlungsspielraum
Während der 60er Jahre erreichte die Tschechische Wirtschaft ein Allzeit-Tief. Intellektuelle, aber auch Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, forderten eine Reform der sowjetischen Planwirtschaft.
«Prager Frühling» nannten westliche Medien das Tauwetter in Prag, dass den Kalten Krieg zwischen West und Ost aufzuwärmen schien.
Auf den Frühling folgt kein Sommer
Doch nach dem Frühling kam kein Sommer. Stattdessen rollten am 21. August Panzer in Prag ein und richteten ihre Geschütze genauso auf tschechische Zivilisten, wie westliche Vertretungen.
Unter der Führung der Sowjetunion hatten die Staaten des Ostblocks sich 1955 zu einem militärischen Bündnis, dem Warschauer Pakt, zusammengeschlossen. Dieser war nun Handstreich gleich in Tschechien einmarschiert, um die Blüten des Prager Frühlings ein für allemal zum welken zu bringen.
Schweizer helfen Tschechen
Es gelang dem Warschauer Pakt, die Reformbewegung des Prager Frühlings niederzuschlagen. In der Folge flohen zahlreiche Tschechen in den Westen. Viele davon in die Schweiz. Denn wie kein anderes westliches Land, hatte die Eidgenossenschaft ihr Mitgefühl für die tschechische Bevölkerung ausgesprochen: Man dürfe « nicht im Zweifel darüber sein, dass die Gefühle des Schweizervolks ganz auf der Seite des tschechischen Volkes seien», notierte der damalige Schweizer Bundespräsident Willy Spühler.
Die Sympathie der Schweizer zeigte sich in zahlreichen Beispielen: «Letzten Samstag habe eine Aeroflot-Maschine (Airline der UdSSR) die Landeerlaubnis in Kloten angefordert, wobei ihr der Kontrollturm zuerst mit Beschimpfungen geantwortet habe und erst dann die Erlaubnis erteilt habe», klagen sowjetische Diplomaten in Bern. Passanten hämmerten mit Fäusten auf sowjetische Botschafts-Fahrzeuge ein und die Woschod-Bank in Zürich wurde wüst beschmiert.
Am 30. August 1968 entschloss das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement «grundsätzlich jedem Tschechoslowaken, unabhängig davon, ob er um Asyl nachsuche oder nicht, in der Schweiz mindestens vorübergehend Aufnahme zu gewähren».
Polo Hofer und seine Schmetterband mit «Summer '68» in der SRF-Sendung «Backstage» 1988.
Tausende Menschen flohen aus der damaligen Tschechoslovakei (CSSR) über Auslandvertretungen und Grenzsammelstellen in die Schweiz. Welch bleibenden Eindruck dieser Sommer in Europa und der Schweiz hinterliess, zeigt auch die Popkultur: «Und d Sowjetrusse, wei nüt wüsse vom Früehlig in Prag», sang Mundartrocker Polo Hofer 20 Jahre nach dem Prager Frühling.
Der Prager Frühling mag vor 50 Jahren niedergeschlagen worden sein, «der Wunsch nach Freiheit und Demokratie hat überlebt und ist die Essenz dessen, was Europa bis heute zusammenhält», schreibt Donald Tusk, polnischer Politiker und Präsident des Europäischen Rates.