Biles-Spiele bei toller Turn-WM - DTB mit Bilanz zufrieden
Die Turn-WM sind Festspiele von US-Starturnerin Simone Biles, die in Stuttgart fünfmal Gold gewann. Der DTB zieht positive Bilanz trotz fehlender Medaille und ist für Olympia 2020 in Tokio vorsichtig optimistisch. Lob von IOC-Präsident Bach und DTB-Chef Hölzl.
Das Wichtigste in Kürze
- Zum vollkommenen Glück der deutschen Turn-Familie fehlte nur ein Medaille am letzten Tag der Heim-Weltmeisterschaften.
Zum Abschluss der Simone-Biles-Show verpassten Sarah Voss und Lukas Dauser an ihren Spezialgeräten Edelmetall.
Die 19 Jahre alte Kölnerin wurde am Sonntag Siebte im Finale am Schwebebalken, der lange verletzte Sportsoldat aus Unterhaching musste im Barren-Endkampf das Gerät verlassen und belegte am Ende wie im Vorjahr Rang acht. US-Star Simone Biles setzte am Boden mit ihrem fünften WM-Titel in Stuttgart den goldenen Schlusspunkt.
«Ich bin sehr zufrieden und kann auf eine super WM zurückblicken, mit einem weiteren Highlight am Sonntag», sagte Voss, die einige Wackler an ihrem Paradegerät hatte, die den tollen Gesamt-Eindruck aber nicht trübten. Auch Dauser ging hohes Risiko, bekam vor 7500 Fans beim Diamidow-Element auf einen Holm Übergewicht und musste absteigen. «Vorher lief es gut, danach lief es gut, nur in dem Moment lief es nicht. Die Anspannung vorher war noch nie so gross wie bei dieser Heim-WM», sagte der Wahl-Berliner enttäuscht.
Die junge Voss, die sich im Mehrkampf sensationell in die Top Ten der Welt katapultierte, ist wohl das grösste Versprechen für die Zukunft des deutschen Frauen-Turnens. Im Sog der strahlenden Frontfrau Elisabeth Seitz kann sich die junge BWL-Studentin mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 in Ruhe weiterentwickeln. Grosses Potenzial hat auch die erst 16-jährige Emelie Petz.
Seitz genoss ihre Heim-WM, konnte gar nicht genug bekommen von der mitreissenden Atmosphäre. Auch wenn der Traum von eine Medaille an ihrem Lieblingsgerät Stufenbarren platzte. «Ich habe mir einen Namen gemacht. Letztlich habe ich gesehen, dass ich mit meinen stolzen 25 Jahren noch immer zur Weltspitze gehöre», sagte die Stuttgarterin, die im Vierkampf Sechste geworden war. «Ich habe mir sogar bewiesen, dass ich auch im Mehrkampf dazu gehöre, und zwar ganz vorne. Das ist zusätzliche Motivation für Olympia.»
Doch US-Superstar Biles überstrahlte alles: Die 22-Jährige schnappte sich nicht nur ihr fünftes WM-Gold im Mehrkampf, sie führte ihr Team auch souverän zum Mannschaftstitel. Die Texanerin war zudem am Sprung, Balken und Boden nicht zu schlagen. Mit nun 25 WM-Medaillen 19 davon in Gold und je drei in Silber und Bronze, ist die viermalige Olympiasiegerin die erfolgreichste Turnerin der Geschichte und übertraf auch noch die WM-Bestmarke des Weissrussen Witali Scherbo, der einst 23 Podiumsplätze sammelte. Den Triple-Double (Doppelsalto mit Dreifach-Schraube) des nur 1,42 grossen Wirbelwinds am Boden kennt nun fast jeder. Allein der Barren-Sieg blieb Biles verwehrt, den holte die Belgierin Nina Derwael.
«Ich hätte Eli Seitz eine Medaille zum Abschluss gegönnt. Aber auch so freue ich mich über das positive Auftreten und die Erfolge unseres Teams», bilanzierte DTB-Präsident Alfons Hölzl. «Wir wollten ein guter Gastgeber sein und ein Feuerwerk entfachen. Ich glaube, das ist uns gelungen.» 102.000 Besucher zählten die Organisatoren. Grosses Lob gab es vom IOC-Präsidenten Thomas Bach, der am letzten WM-Tag in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle weilte. «Es herrschte eine tolle Stimmung, wie wir es von Stuttgart kennen. Man sah allen Athletinnen und Athleten an, dass sie es genossen haben», sagte Bach der Deutschen Presse-Agentur.
STB-Präsident Wolfgang Drexler kündigte an, dass sich Stuttgart in zehn Jahren wieder als WM-Ausrichter bewerben wolle: «Dafür brauchen wir eine zeitgemässe Infrastruktur. Ich hoffe, dass wir bis dahin eine moderne neue Halle haben.» Der Präsident des Internationalen Turnerbundes FIG, Morinari Watanabe, hätte wohl nichts dagegen. «Wir haben noch nie eine solch hervorragende WM gesehen», schwärmte der Japaner. Und nicht nur der Reck-Weltmeister von 1974, Eberhard Gienger, war fasziniert von den Darbietungen: «Das hat mit dem, was wir früher geturnt haben, nichts mehr zu tun. Das Niveau ist sensationell», meinte der 68-Jährige zur dpa.
Bei den Turnern beeindruckten besonders die Russen als Team-Weltmeister mit dem herausragenden Mehrkampfsieger Nikita Nagorni (3 x Gold). Gefeiert wurden auch Exoten wie der philippinische Boden-Sieger Edriel Carlos Yulo, der Türke Ibrahim Colak mit Ringe-Gold oder der brasilianische Reck-Weltmeister Arthur Mariano. «Es werden immer wieder neue Stars geboren. Turnen ist auch bei Olympia ein Top-Event», sagte Bach.
Auf die deutschen Männer wartet viel Arbeit bis Tokio. Immerhin sicherte sich das ersatzgeschwächte Quintett mit Andreas Toba, der im Mehrkampf auf Platz 19 landete, Dauser, Ringe-Finalist Nick Klessing, Karim Rida und Philipp Herder das Olympia-Ticket. DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam war erleichtert: «Eine Nicht-Qualifikation wäre einem Erdrutsch nahe gekommen.» Vermisst wurde Marcel Nguyen, der sich in dieser Woche einer schweren Schulter-Operation unterzog. Neun Monate bleiben dem 32-Jährigen, um bis Tokio fit zu werden. «Der Traum von Olympia lebt, auch wenn es jetzt ganz knapp wird», sagte er im Krankenbett.