Red Bull adé: Supertalent Dan Ticktum steht vor dem grossen Nichts
Dan Ticktum testete in der Formel 1 für Red Bull, hätte der nächste grosse Star werden sollen. Stattdessen steht er vor einem Scherbenhaufen.
Das Wichtigste in Kürze
- Dan Ticktum ist seit Donnerstag nicht mehr Teil des Red-Bull-Juniorteams.
- Der Brite verlor auch sein Cockpit in der japanischen Super Formula.
- Trotz aussergewöhnlichem Talent steht der 20-Jährige vor dem Nichts.
Die Karriere von Dan Ticktum ist eine exemplarische Warnung an zahlreiche talentierte Rennfahrer. Der Brite gilt als aussergewöhnlich talentiert, verfügt über hervorragenden Grundspeed. Und seine Fahrzeugbeherrschung bewies er nicht zuletzt als zweifacher Sieger des Macau-GP.
Aber der 20-Jährige aus London hat auch eine dunkle Seite. Ticktum ist ein Hitzkopf und wirkt – vor allem nach Niederlagen – oft unverhältnismässig frustriert. Dazu kommt eine Eigenschaft, die bei Sportlern heute nicht mehr gerne gesehen wird: Er sucht den Fehler zuerst bei anderen.
Ausraster kostet Ticktum ein ganzes Jahr
Der grösste Skandal seiner Karriere zwingt ihn 2016 zu einer einjährigen Auszeit vom Motorsport. Während einer Safety-Car-Phase in einer britischen Nachwuchs-Serie in Silverstone rastet Ticktum aus. Er überholt mehrere Fahrzeuge und schiesst seinen Kontrahenten Ricky Collard ab.
Für den Ausraster fasst Ticktum eine Sperre von einem Jahr. Nach dem Comeback fand er wieder in die Spur, feierte zwei Siege in Macau. Einen epischen Titelkampf gegen Mick Schumacher in der Formel-3-EM im Vorjahr verlor er nur knapp.
Alles schien nach Plan zu laufen, Ticktum folgte dem üblichen Weg für Junioren von Red Bull. In Bahrain testete er am Saisonbeginn für das Formel-1-Team, zudem erhielt er ein Cockpit in der japanischen Super Formula. Eigentlich alles bestens.
Red Bull braucht keine Kritiker in den eigenen Reihen
Aber die Saison verlief nicht nach Plan. In den ersten drei Rennen steht nur ein magerer Punkt zu Buche. An sich nicht schlecht für einen Rookie, aber zu wenig im hochkompetitiven Red-Bull-Juniorkader. Zumal mit Lucas Auer ein zweiter Pilot aus dem Förderprogramm bessere Leistungen bringt.
Und Ticktum fehlt eine Fähigkeit, die Red Bull bei seinen Junioren gerne sieht: Selbstkritik. Statt den Fehler bei sich selbst zu suchen, findet Ticktum Ausflüchte für schlechte Leistungen. Oft kritisiert er dabei sein Team, so auch jetzt. Er sei nur deshalb schlechter als sein Teamkollege, weil das Mugen-Honda-Team ihm schlechteres Material gebe.
Das ist eine Eigenschaft, die man bei Red Bull nicht gebrauchen kann. Ein Formel-1-Pilot, der den eigenen Rennstall kritisiert, ist unerwünscht. Und vor allem in diesem Aspekt liess Ticktum die notwendige Lernfähigkeit vermissen.
Der Rauswurf kommt dem Karriereende gleich
Am Donnerstag zog Red Bull den Stecker. Motorsport-Berater Helmut Marko bestätigte gegenüber «speedweek.com», dass Ticktum «ab sofort nicht mehr Mitglied unseres Programms» sei. Und dass es kein freiwilliges Ausscheiden, sondern ein Rauswurf war.
Bei Red Bull mangelt es nicht an Talent. Ticktums Platz in Japan wird an Patricio O'Ward gehen, der Mexikaner ist erst seit kurzem Teil des Förderkaders. Und auch das restliche Juniorteam neben Auer und O'Ward ist blendend aufgestellt. Jack Doohan, Dennis Hauger, Liam Lawson, Jüri Vips und Yuki Tsunoda glänzen aktuell allesamt in ihren jeweiligen Serien.
Für Dan Ticktum ist der Red-Bull-Rauswurf womöglich das Ende seiner Karriere, zumindest auf dem Weg zur Formel 1. Denn selbst wenn andere grosse Teams Interesse hätten – der unrühmliche Abgang wird viele abschrecken.