Erziehung neu lernen: Zuhören, statt zuschlagen
Ein wichtiger Faktor für die Entwicklung von Kindern ist ein Umfeld, das Geborgenheit und Schutz bietet. Für viele Kinder ist das nicht selbstverständlich.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein sicheres und liebevolles Umfeld ist eine wichtige Basis für die kindliche Entwicklung.
- Sind Eltern selbst mit Gewalt aufgewachsen, geben sie das oft an ihre Kinder weiter.
- Das internationale Hilfswerk World Vision bietet deshalb Kurse zur positiven Erziehung an.
- Das Modell heisst «Celebrating Families».
«Ich war immer sehr streng zu meinen Kindern. Wenn ich zum Beispiel meine Tochter Juliet mit lauter Stimme rief und sie wusste, dass sie etwas falsch gemacht hatte, kam das Mädchen mit zitternden Knien an, weil ich so streng war. Aber von heute an habe ich tatsächlich begonnen, mich zu ändern. Von nun an will ich eine demütige und zuvorkommende Mutter sein!»
Dies sagt Paulina in einem Bericht des internationalen Kinderhilfswerk World Vision. Sie war es gewohnt, die Kinder mit strenger Hand zu erziehen – so wie sie es aus ihrer eigenen Kindheit kannte. Erst in einem Kurs hat sie gelernt, dass Gewalt – in psychischer oder physischer Form – in der Kindererziehung schädlich ist.
Ein sicheres und liebevolles Umfeld ist eine wichtige Basis für die Entwicklung eines Kindes. Mit dem Modell «Celebrating Families» bietet World Vision ein Programm an, das Eltern und Betreuungspersonen, kirchlichen und religiösen Führungspersönlichkeiten, Gemeinschaften und Gemeinden zeigt, wie man eine liebende und fürsorgliche Basis für Kinder schafft.
Schläge, körperliche Strafen und jegliche andere Form von Gewalt haben hier keinen Platz. Was für manche Eltern selbstverständlich klingt, ist für andere nicht so leicht umzusetzen. Denn nicht selten waren sie selbst von physischer oder psychischer Gewalt in ihrer Kindheit betroffen.
Diese Normen geben sie an die nächste Generation weiter und so werden Praktiken wie Zwangsheirat, körperliche Züchtigung, Kinderarbeit oder Schulabbruch unhinterfragt weitergeführt.
Alte Gewohnheiten zu durchbrechen, ist schwierig. Doch in den dreitägigen Workshops von «Celebrating Families» werden Eltern sich der Vorteile einer gewaltfreien und unterstützenden Erziehung bewusst und erhalten das Rüstzeug, um als erste ihrer Familie eine andere, liebevollere Erziehungsmethode umzusetzen.
Auch Lilian, die in einer Flüchtlingssiedlung in Uganda lebt, hatte die Chance, an einem dieser Kurse teilzunehmen. Hier erfuhr sie unter anderem auch, welche schädliche Folgen kulturelle Normen haben können, zum Beispiel Kinderheirat. Manche arme Eltern sehen ihre Töchter als Einkommensquelle und wollen – oder müssen – diese früh verheiraten. Über die Auswirkungen auf das Leben der Mädchen wird in der Regel nicht gesprochen.
Für Lilian war der Kurs ein Augenöffner: «Eine Mutter hat ihre 15-jährige schwangere Tochter aus einer Zwangsehe zurückgeholt, nachdem ich sie über die Gefahren der Frühehe aufgeklärt hatte», erzählt Lilian».
Einer, der diese positiven Entwicklungen der Methode «Celebrating Families» hautnah miterlebt, ist Michael Lemi aus Uganda. Er ist Trainer für positive Erziehung und Mitglied des Kinderschutzausschusses (CPC) seines Quartiers.
Seine Arbeit besteht darin, möglichst viele Eltern zu positiven Erziehungsmassnahmen zu schulen. Dabei werden auch Fragen zu Gesundheit, Ernährung, Bildung und Zukunftsplanung angesprochen.
Die Eltern würden sich der Bedürfnisse ihrer Kinder bewusster und könnten ihnen so die notwendige Geborgenheit für eine gesunde Entwicklung bieten, erklärt Michael das Ziel der Trainings.
Dabei wird davon ausgegangen, dass eine positive Erziehung die Entwicklung eines Kindes verbessert und das Risiko für alle Formen von Gewalt verringert. «Vor der Intervention war die Gewalt gegen Kinder in der Gemeinde hoch. Sie wurden misshandelt und schikaniert. Und Eltern stritten sich ständig wegen der begrenzten Mittel im Haushalt, womit sie sehr schlechte Vorbilder für ihre Kinder waren», sagt Michael. «World Vision hat erkannt, dass der Schutz von Kindern ein Wunschdenken bleibt, wenn die Eltern diese Praktiken selbst nicht anwenden», schliesst er.
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