Mit dem Krieg in der Ukraine kommt der Hunger
Der Krieg in der Ukraine verschärft den weltweiten Hunger. Das Land ist ein wichtiger Exporteur von Weizen. Die Folgen für die Ärmsten der Welt sind gravierend.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Krieg in der Ukraine gefährdet die Nahrungsversorgung ärmerer Länder.
- Die Ukraine gehört zu den weltweit wichtigsten Exporteuren von Weizen.
- Durch den Krieg in der Ukraine kommt es zu Lieferengpässen und Preissteigerungen.
Die Ukraine gilt als die Kornkammer Europas. Sie ist eine der grössten Weizenexporteurinnen der Welt. Seit Kriegsausbruch stocken die Produktion und Ausfuhren jedoch– mit Konsequenzen für die Ernährungssicherheit in einigen der ärmsten Regionen der Welt.
Der Weizen aus der Ukraine und Russland ist wichtiges Importgut für Teile des Nahen Ostens, Asiens und Ostafrikas. Es sind von Instabilität und Lebensmittelknappheit geprägte Länder wie Afghanistan, Libanon, Bangladesch oder Äthiopien.
Der Preis für Weizen steigt täglich auf neue Rekordhöhen
Nicht nur die Einfuhr des Weizens ist schwieriger geworden. Hinzu kommen steigende Preise. Die Weizenpreise befinden sich auf dem höchsten Stand seit 2008, schreibt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP).
Die Analysten erwarten zudem eine weitere Preissteigerung im Sommer und Herbst, wenn in der Regel der meiste Weizen exportiert wird. Es drohen drastische Auswirkungen.
Weil die Preise für Weizen und andere Grundnahrungsmittel explodieren, sind arme Menschen in den Ländern des Globalen Südens von Hunger bedroht.
In Regionen, die bereits aufgrund klimatischer Veränderungen an Nahrungsmittelknappheit leiden, zum Beispiel Ostafrika, sind die Folgen sogar lebensbedrohlich.
Dürre verschlimmert die Situation
Am Horn von Afrika herrscht derzeit eine der schlimmsten Dürren seit vier Jahrzehnten. Drei Regenzeiten nacheinander sind ausgefallen. Die Menschen müssen immer weitere Strecken zurücklegen, um an Wasser zu kommen. Die Felder können nicht genügend bewässert werden.
Das WFP berichtet, dass die Ernten deshalb bis zu 87 Prozent zurückgegangen seien.
In Äthiopien, Somalia und Kenia haben rund 14 Millionen Menschen nicht ausreichend zu essen, die Hälfte davon seien Kinder, sagt Tomsom Phiri, Mitarbeiter des WFP.
Toxische Mischung: Lieferengpass und Unterfinanzierung
Das UN-Welternährungsprogramm bezieht für seine Lebensmittelhilfe in Konflikt- und Krisenländern viel Getreide aus der Ukraine – laut WFP-Direktor David Beasley bis zu 50 Prozent. Doch nun benötigt die Ukraine selbst Hilfsgüter für die Bevölkerung.
Zur Knappheit von Weizen kommt hinzu, dass aufgrund einer deutlichen Unterfinanzierung der Hilfsprogramme in einigen Ländern die Versorgung mit lebenswichtigen Nahrungsmitteln bereits vor dem Krieg nicht mehr sichergestellt war. Zusätzliche finanzielle Mittel sind kurzfristig nur schwer zu beschaffen.
Aufgrund des Zusammenfalls dieser Faktoren musste das WFP Nahrungsmittelrationen in diversen Ländern bereits um 50 Prozent kürzen.
«Wir stehen definitiv am Rande einer Katastrophe», sagt Rein Paulsen, Direktor für Notfälle und Widerstandsfähigkeit bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). «Die Zeit läuft uns davon.»
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit droht eine globale Hungersnot. Zugleich steht die Hilfe für die Menschen in den davon am stärksten betroffenen Ländern im Rest der Welt nicht weit oben auf der Prioritätenliste
Arbeit der Hilfsorganisationen lebenswichtig
Umso wichtiger ist jetzt die Arbeit der Hilfsorganisationen, die die Menschen vor Ort nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen. So verteilt das internationale Hilfswerk World Vision – zugleich grösster Umsetzungspartner des WFP bei der Verteilung von Lebensmitteln –zusätzlich Saatgut.
Mit Gemüsesamen können die Lebensmittelrationen, die hauptsächlich aus Getreide bestehen, mit gesunder Nahrung ergänzt werden. Kurse zu Anbaumethoden helfen, dass die Samen auch unter schwierigen Bedingungen gedeihen.
Ein Teil des verteilten Getreides kann zudem wieder angebaut werden. So hat das Betty aus dem Südsudan in der ugandischen Flüchtlingssiedlung Bidi Bidi gemacht.
Einen Teil des vom WFP verteilten Sorghums, einer widerstandskräftigen Hirseart, pflanzte sie vor ihrer Hütte an. Nach einem halben Jahr konnte sie bereits 45 Kilogramm Sorghumhirse ernten und damit ihre Familie ernähren, berichtet World Vision.
Während die Welt hauptsächlich den Fokus auf die Ukraine richtet, arbeiten Hilfsorganisationen wie World Vision unermüdlich daran, dass andere Katastrophen in der Welt und die davon betroffenen Menschen nicht vergessen gehen. Denn: Ernährungsunsicherheit schafft weltweit noch mehr Gefahren für Konflikt und Chaos.