Unser Blick in die Schweizer Schifffahrtsgeschichte
Mehrere Tausend Jahre Schifffahrt in einem Artikel: von den keltischen Einbäumen über die Genfer Galeeren bis zu prächtigen Salondampfern. Unsere Highlights.
Das Wichtigste in Kürze
- Einbäume beweisen: Seit mehr als 5000 Jahren gibt es Schifffahrt in der Schweiz.
- Seeschlachten und Galeeren: So bewegt waren unsere Seen im Mittelalter.
- Dampfschiffe revolutionierten den Gütertransport und begeistern bis heute Touristen.
Ob als Handelswege oder zum Vergnügen: Unsere Gewässer werden seit prähistorischer Zeit beschifft. Wir haben für euch in den Geschichtsbüchern gestöbert und beantworten Fragen, die ihr vielleicht gar nie hattet.
Gab es auf dem Genfersee tatsächlich Galeeren? Wie bewegt man eigentlich ein Schiff ohne Motor flussaufwärts? Und fahren heute immer noch Dampfschiffe in der Schweiz?
Dazu stellen wir euch den ältesten noch erhaltenen Dampfer der Schweiz vor und berichten von einer faszinierenden Ausstellung.
Wie alles begann: von Einbäumen und Kelten
Die ältesten Boots-Überreste, die je in der Schweiz gefunden wurden, gehören zu einem Einbaum aus dem Neuenburgersee: Sie beweisen, dass in der Schweiz seit mindestens 5000 Jahren Schifffahrt betrieben wird.
Die nächste Entwicklung auf Schweizer Gewässern waren dann die Plankenboote aus der keltisch-römischen Zeit. Auf diesen flachen Booten, die über ein Segel verfügten, konnte man schwere und unhandliche Ladungen transportieren.
Aus Scherbenfunden weiss man, dass die Römer Waren von Marseille zum Bodensee transportierten und dafür Rhone, Juragewässer und Aare nutzten. Die 40 Kilogramm schweren Amphoren mit Ochsenkarren zu transportieren, wäre ungleich mühsamer gewesen.
Kriegsschiffe in Genf und in Zürich
Die Schweizer Gewässer wurden aber nicht nur für den Handel genutzt, auf ihnen fanden auch Auseinandersetzungen statt. So zum Beispiel im 15. Jahrhundert im alten Zürichkrieg zwischen Zürich und den Eidgenossen, in welchem ihre Seeüberlegenheit den Zürchern entscheidende Vorteile brachte.
Unterstützung bekamen die Zürcher vom damals habsburgischen Rapperswil. Die Habsburger hatten nämlich aus Bregenz am Bodensee zwei wendige Ruderkriegsschiffe liefern lassen. Diese «Jagdschiffe» machten den Eidgenossen auf dem See das Leben schwer.
Auf dem Genfersee patrouillierten bis etwa 1730 sogar waschechte Galeeren. Die von 1211 bis 1536 am Genferseebecken herrschenden Savoyer hatten damals Schiffszimmersleute aus Genua angeworben. Und diese bauten nach Art der grossen Genuesischen Meerschiffe kleine Galeeren für den See. Die Genfer übernahmen diese Art des Schiffbaus dann auch für Lastschiffe, woraus die mediterran anmutenden Genfersee-Barken hervorgingen.
Die Sache mit dem Antrieb
Nicht nur Galeeren und Kriegsschiffe mussten lange Zeit mit Muskelkraft bewegt werden. Wollte man nämlich ein Schiff flussaufwärts oder bei Windflaute auf einem See bewegen, gab es nur eins: kräftig ziehen, rudern oder stacheln.
Der Fachbegriff für das Ziehen eines Schiffes heisst «Treideln». Zum Einsatz kamen dabei Menschen oder Tiere, meist Pferde.
Eine besondere Herausforderung war es dabei, entlang von Flüssen und Seen durchgehende Treidelwege anzulegen. Nicht selten kam es hier zu Streitigkeiten mit Landbesitzern, weil die Treidler Trittschäden verursachten. Waren die Gewässer an den umstrittenen Stellen seicht genug, konnte man auch aufs Stacheln ausweichen.
Alles wird anders, die Dampfkraft kommt
1808 fuhr der erste Raddampfer auf dem Hudson River, 1823 begann das Dampfzeitalter dann auch in der Schweiz. Dank der «Guillaume Tell» dauerte die Reise Genf-Lausanne neu statt einem Tag noch viereinhalb Stunden, unabhängig von Wind und Wetter.
Ähnliches leistete ab 1837 das erste vollständig in der Schweiz gebaute Dampfschiff, die «Stadt Luzern» auf dem Vierwaldstättersee. Sie verkürzte die für die Nord-Süd-Verbindung wichtige Reise von Luzern nach Flüelen von neun auf zweieinhalb Stunden. Damit stand sie in direkter Konkurrenz zu den Nauen-Schiffern, die bisher den Waren- und Menschentransport auf dem Vierwaldstättersee erledigten.
Speziell in Uri erregte das Schiff Unmut, sodass aufgebrachte Urner das Dampfschiff wiederholt mit Steinen bewarfen und die Fahrgäste beschimpften. Jährliche Abgaben beruhigten dann die Lage am See, und bald befuhren auch Dampfschiffe der «Urner Post-Dampfschifffahrts-Gesellschaft den See».
Das führte wiederum zu einer gehörigen Konkurrenzsituation mit immer tieferen Billetpreisen. Bis schliesslich die beiden Gesellschaften 1869 zu einem neuen Unternehmen fusionierten, aus dem die heutige «Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees» erwuchs.
Eisenbahn und Tourismus
Kaum hatte das Dampfschiff auf den Schweizer Seen Fuss gefasst, begann auch schon das Eisenbahnzeitalter. Zunächst ergänzten sich die beiden Transportmittel, und die Dampfschiffe transportierten Passagiere und Waren, welche die Züge an die Seen brachte.
Doch je vollständiger das Eisenbahnnetz wurde, umso weniger wurden die Dampfer für den Transit benötigt. Die Binnenschifffahrt ging aber nicht unter, sondern profitierte von einem aufblühenden Wirtschaftszweig: dem Tourismus.
Ein Paradebeispiel für den Wandel durch den Tourismus ist der Vierwaldstättersee. 1871 wurde hier mit der Rigi-Bahn die erste Zahnradbahn Europas eröffnet. Und 1889 am Pilatus die bis heute steilste Zahnradbahn der Welt gebaut.
Das brachte genügend Fahrgäste an den Vierwaldstättersee, um den Personen- und Gütertransit zu ersetzen, den die Gotthardbahn den Schiffern nahm.
Der Dieselmotor
Wieder war es der Genfersee, wo die nächste Revolution ihren Anfang nahm. 1905 fuhr hier das Güterschiff «Venoge» als erstes Schweizer Schiff mit einem Dieselmotor
Weil der Dieselmotor kleiner, wirtschaftlicher und weniger aufwendig im Betrieb war, hatte er alle Vorteile auf seiner Seite. Und so wurden auf den Schweizer Seen nach und nach Dampfer aus dem Verkehr genommen und durch dieselbetriebene Schiffe ersetzt.
In den 1970er Jahren kam es wegen der geplanten Stilllegung des DS Wilhelm Tell zu einer grossen Protestaktion. Nach jahrelangem Hin und Her und beispiellosem Einsatz der Dampferfreunde korrigierte die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees schliesslich ihren eingeschlagenen Kurs.
So kommt es, dass bis zum heutigen Tag eine Flotte von fünf Dampfschiffen auf dem Vierwaldstättersee verkehrt. Sie stehen sinnbildlich für den allmählichen Wandel des Schiffbetriebs auf unseren Binnengewässern von einer Nutz- zu einer Vergnügungsflotte.
Schifffahrtsgeschichte erleben
Die DS Rigi, das älteste erhaltene Dampfschiff der Schweiz, gehörte von Anfang an zu den Hauptattraktionen des Verkehrshauses in Luzern. Es erlebte die grossen Nord-Süd-Warenströme genauso wie die erste Blütezeit des Tourismus und zwei Weltkriege. Wer sich im Verkehrshaus mit seiner Geschichte auseinandersetzt, lernt viel über die Welt- und die Luzerner Regionalgeschichte.
Im Verkehrshaus kann man aber nicht nur Originale bestaunen, auch lehrreiche Modelle gehören seit jeher zu seinen grossen Stärken. So findet sich in der Halle Schifffahrt ein ausgeklügeltes Modell, das einleuchtend erklärt, wie eine Schiffsschleuse funktioniert.
Spektakulär ist der Besuch des Nautiramas, einer rund 20-minütigen Reise durch die Schifffahrts- und Tourismusgeschichte der Zentralschweiz: Sie führt durch den Salon eines Raddampfers, zeigt ein mittelalterliches Schiffsunglück und illustriert, wie Industrialisierung und Dampfschifffahrt die Region veränderten. Mit Licht, Ton und einer eindrucksvollen Kulisse, so als wärt ihr selber mit dabei.
Seid ihr neugierig geworden? Hier findet ihr alles über die Schifffahrtsausstellung im Verkehrshaus in Luzern.