Flüchtlingscamps in Lesbos: Kinder in höchster Gefahr
Die Zustände im griechischen Flüchtlingslager Moira sind menschenunwürdig. Würde dort das Corona-Virus ausbrechen, wären die Folgen katastrophal.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Camp auf Lesbos sind 30'000 statt 3'000 Menschen untergebracht.
- NGOs fordern von Europäischen Ländern nun die Aufnahme von Flüchtlingen.
Schon seit langem sind die menschenunwürdigen Zustände im Flüchtlingslager Moira auf Lesbos, Griechenland bekannt. Und seit der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Grenzen seines Landes zur EU hin geöffnet hat, versuchen tausende von Menschen über Griechenland in die EU zu gelangen. Die griechische Regierung schloss daraufhin ihre Grenzen und setzte das Asylrecht ausser Kraft.
Flüchtlingslager Moira: 30'000 statt 3'000 Flüchtlinge
Das Flüchtlingslager Moira ist für die logistische Unterbringung von 3'000 Menschen ausgestattet. Zurzeit müssen ca. 30'000 Personen dort ausharren. Der Platz ist also mehr als knapp. Durch die beengenden Zustände kommt es oft zu Streit, Prügeleien und sexuellen Übergriffen.
Auch die Versorgungslage in Moira ist schrecklich: Es gibt zu wenig Essen und Trinken. Oft gibt es überhaupt kein fliessendes Wasser. Dazu fehlen auch sanitäre Anlagen wie Toiletten. Die Bewohner sind zum Teil gezwungen Windeln zu tragen.
Besonders traurig: Auf Moira leben über 1'000 unbegleitete Kinder und minderjährige Jugendliche. Diese sind der schlimmen Situation noch mehr ausgeliefert. Normalerweise werden Kinder in den bewachten Zonen untergebracht.
Doch da das Lager so überfüllt ist, müssen sie ausserhalb im «Dschungel» schlafen. So wird das Gelände rund um das offizielle Camp herum genannt. Dort sind die Jugendlichen Gewalt und Vergewaltigungen ausgesetzt.
Gesundheitssystem auf Lesbos kurz vor Kollaps
Das medizinische Personal auf Lesbos ist im Dauerstress. Gerade erst grassierte eine Meningitis-Welle in Moira. Nun besteht grosse Angst vor dem Ausbruch des Corona-Virus’.
Das Gesundheitssystem im Lager ist katastrophal und die meisten Flüchtlinge sind gesundheitlich angeschlagen und geschwächt. Im überfüllten Flüchtlingscamp ist zudem der geforderte Mindestabstand unmöglich einzuhalten.
Aber auch beim Insel-Spital auf Lesbos sieht die Situation nicht viel besser aus. Denn schon jetzt ist es überlastet. Das kleine Krankenhaus hat gerade mal sechs Betten auf der Intensivstation. Das Gesundheitssystem auf Lesbos steht schon jetzt kurz vor dem Kollaps – noch bevor die ersten COVID-19-Patienten Intensivbetten brauchen.
Die EU-Staaten und die Schweiz haben monatelang zugeschaut, wie sich die Lage in Moira immer weiter verschlimmerte. Nun steht das Lager kurz vor einer riesigen humanitären Katastrophe.
Aufnahme von Flüchtlingen in Europäischen Staaten gefordert
Von verschiedenen Hilfsorganisationen wie World Vision, werden die europäischen Regierungen nun dringlich aufgefordert zu handeln. Auch Prominente drängen unter dem Hashtag #LeaveNoOneBehind auf eine sofortige Evakuierung des Flüchtlingslagers auf Lesbos.
„Nach zähem Ringen“ hat sich die Regierung auf die Aufnahme von 50 Flüchtlingskinder geeinigt?! Was war denn dann der erste Vorschlag - 10? Das ist einfach nur beschämend und inhuman. #LeaveNoOneBehind https://t.co/g3fqcRuxnb
— Katharina Schulze (@KathaSchulze) April 8, 2020
Die Forderung ist, dass das Lager Moira wieder auf das Mass von 3'000 Plätzen gebracht werden muss, für das es ursprünglich geplant war.
Die europäischen Staaten müssen die Menschen, die besonders geschwächt und ausgeliefert sind, aus dem Lager holen und gerecht verteilen. Dazu gehören auch die vielen traumatisierten Kinder.
Auch die Schweiz soll mehr Flüchtlinge aus Lesbos aufnehmen
Die Schweiz hat sich am letzten Freitag endlich auch dazu bereit erklärt, minderjährige Asylsuchende aus Griechenland aufzunehmen - allerdings nur 21. Wenn man jedoch bedenkt, dass sich unter den weit über 20'000 Flüchtlingen in den restlos überfüllten Lagern mehr als 1'600 besonders gefährdete Kinder und Jugendliche befinden, setzt sich die humanitäre Katastrophe vor unseren Augen auf europäischen Boden fort.
Seit Jahren findet eine humanitäre Katastrophe vor unseren Augen in den Flüchtlingslagern auf europäischem Boden statt. Insbesondere auf Lesbos spitzt sich nun die Lage nochmals dramatisch zu - auch aufgrund der Gefahr, die jetzt vom Corona-Virus ausgeht, wie Christoph von Toggenburg, CEO von World Vision Schweiz, ausführt: «Stellen Sie sich vor, Sie müssten zu sechst auf 8 Quadratmetern in einem feuchten Zelt wohnen und dann werden Sie angewiesen, social distancing zu betreiben?» Christoph von Toggenburg, der selbst viele Jahre für die UN für Flüchtlingslager im Nahen Osten zuständig war, fordert jetzt:
«Die Schweiz sollte ihrer humanitären Tradition treu bleiben, ihr Kontingent erhöhen und sich noch stärker für eine gesamteuropäische Lösung einsetzen. Durch gemeinsame Solidarität und Zusammenarbeit müssen die Schweiz und Europa die desolate Lage insbesondere der Kinder endlich entschärfen.»
Die Schweiz muss rasch handeln und - wie andere europäische Länder auch - ein grösseres Kontingent an besonders gefährdeten Flüchtlingen aufnehmen.