Ehe für alle – ohne gleiche Rechte für alle?
Der Bundesrat will dem Parlament eine abgespeckte Ehe für alle zur Abstimmung vorlegen. Aussen vor bleibt etwa die Samenspende. Betroffene sind enttäuscht.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat will die Ehe für alle zügig durchwinken. Allerdings in abgespeckter Form.
- Rechte wie jenes auf Samenspende und Reproduktionsmedizin klammert der Bundesrat aus.
- Lesben- und Regenbogenfamilien-Organisationen, glp und SP sind enttäuscht.
Jetzt soll sie endlich kommen, und zwar schnell: Die Ehe für Alle. Der Bundesrat stellt sich hinter die Parlamentsvorlage der «Ehe für Alle». Damit soll die Ungleichbehandlung homosexueller Paare der Vergangenheit angehören. Doch – ist es wirklich die gleiche Ehe für alle, die der Bundesrat anstrebt?
Das Recht auf legale Samenspende, den Zugang zur Reproduktionsmedizin und die Regelung der Hinterlassenenrente klammert der Bundesrat aber erstmal aus. Aussgerechnet jene Punkte, die für homosexuelle Paare in einer eingetragenen Partnerschaft grosse Komplikationen nach sich ziehen, bleiben also ungelöst. Das sorgt bei Betroffenen für Unverständnis.
Abgespeckte Ehe für alle
Der Bundesrat argumentiert: Die Ehe für Alle hätte im Parlament kein Chance, wenn die Samenspende zum Päckli gehöre. Das sieht der Dachverband für Regenbogenfamilien anders. Man gehe davon aus, «dass der Zugang zur Samenspende für verheiratete Frauen und die damit verbundene Elternschaft ab Geburt gute Chancen haben, im Rahmen der parlamentarischen Diskussion zur Ehe für alle in die Realität umgesetzt zu werden.»
Die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) freut sich zwar grundsätzlich, dass der Bundesrat sich für die Ehe für alle ausspreche. «Wir bedauern es aber sehr, dass er sich nicht für die vollständige Gleichstellung ausspricht», sagt Nadja Herz. Sie ist Rechtsanwältin und Co-Präsidentin von LOS. Der Ehe-Kompromiss würde nämlich «weiterhin Unterschiede zwischen heterosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren machen».
Eine #EheFürAlle die bestehende Diskriminierungen zementiert ist verheerend und ausserdem verkennt der Bundesrat die dringliche Notwendigkeit den Zugang zur Samenspende und originären Elternschaft zu ermöglichen: https://t.co/QLFwQ8H7YY pic.twitter.com/wVMRsweO8X
— Regenbogenfamilien (@LGBTfamilie) January 29, 2020
Diese Fast-Gleichstellung der Homo- und Hetero-Ehe sei nicht nur für homosexuelle Paare ein Problem. Leidtragend dabei seien in erster Linie die Kinder aus Regenbogenfamilien. Darum setze LOS sich für eine komplette Ehe für alle ein.
«Wir haben die Verantwortung, das Kindeswohl zu schützen und Kinder in Regenbogenfamilien, von denen es schon sehr viele gibt in der Schweiz, rechtlich gut abzusichern. Unser Ziel ist eine Ehe für alle mit sämtlichen Rechten und Pflichten wie die bestehende Ehe.»
GLP und SP enttäuscht
Damit stehen die Lesbenorganisation LOS und der Dachverband für Regenbogenfamilien nicht alleine da. Auch bei der glp, deren Nationalrätin Kathrin Bertschy die Ehe für alle im Parlament eingereicht hatte, ist man enttäuscht.
Wir sind erfreut, dass der Bundesrat unseren Vorstoss #Ehefüralle @kathrinbertschy jetzt rasch umsetzen will. Für uns gehört zur Ehe für alle aber auch der Zugang zur #Fortpflanzungsmedizin. https://t.co/EiGe5t3zCZ
— Grünliberale Schweiz (@grunliberale) January 29, 2020
Schützenhilfe kommt auch aus der SP. «Eine Ehe für alle ist erst eine Ehe für alle, wenn auch wirklich die gleichen Rechte gelten. Dazu gehört auch der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin: Die Lösung läge eigentlich auf dem Tisch», schreibt Nationalrätin Min Li Marti auf Twitter.
Eine Ehe für alle ist erst eine Ehe für alle, wenn auch wirklich die gleichen Rechte gelten. Dazu gehört auch der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin: Die Lösung läge eigentlich auf dem Tisch. https://t.co/kMS5asFfgp
— Min Li Marti (@minlimarti) January 29, 2020