«CHRÜTER-OSKI» BLICKT MAYR ÜBER DIE SCHULTER

Aufgetischt: Restaurant Moospinte, Münchenbuchsee

Fest
Fest (Symbolbild) - Unsplash

Draussen ist es garstig, drinnen gemütlich. Offenbar rennt am vierten Advent über Mittag alles an den Sonntagsverkauf, denn wir sind – vorerst – die Einzigen in der «Prominentenstube», was die Prominenz noch steigert. Schnitzereien an den Stuhllehnen verraten, dass vor uns weit prominentere Persönlichkeiten hier tafelten. Am Nebentisch traf sich General Henri Guisan zu diskreten Besprechungen. Die beste Begleiterin von allen sitzt auf dem Stuhl des Jugendpsychologen Hans Zulliger aus Ittigen, der Testesser wärmt den Sitz von Kronprinzessin Juliane, der späteren Königin der Niederlande. Neben ihm ist der Name Oskar Marti verewigt, besser bekannt als «Chrüter-Oski». Dieser wirtete bis 2010 auf der Moospinte, und fast hört man noch den Widerhall seiner Predigten, die jeweils dem Essen vorausgingen.

Seit diesem Sommer wirtet eine neue Familie in der Moospinte: Christoph und Stephanie Mayr, beide aus Bayern stammend. Wir bestellen beim umsichtigen jungen Kellner Champagner von Nicolas Feuillatte (Fr. 14.50/ dl), kein gefälliger Industrieschaumwein, sondern ein Cüpli mit Kante. Die Direktsäfte aus Wildquitte oder Wildpreiselbeere probieren wir ein andermal. Bald erreicht uns ein Brotkörbchen, das auch Bretzelstücke enthält. Man könnte hier am Sonntag auch einen Brunch nehmen – mit bayrischem Touch.

Das Dry Aged Entrecôte aus dem Emmental sei leider nicht mehr vorrätig, wird uns beschieden. Als grosses Stück ist dieses Rindfleisch vergriffen, doch erhalten wir ein Mümpfeli in Form von Tatare im Amusebouche, geschmacklich angenehm kombiniert mit Pflaumen und Nüssen, dazu ein zartes Wachtelbrüstli sowie Kornelkirschenkonfitüre – ein wahrhaft gelungener Gruss aus der Küche.

Als Vorspeise hat die Begleiterin einen bunten Wildsalat mit Sprossen (Fr. 11.–) gewählt. Er hingegen bekommt dünn geschnittene Schinkenscheiben vom Durocschwein mit Rande und Birne (Fr. 19.–). Das Fleisch hat einen feinen Rauchgeschmack, es ist ein Produkt aus der hauseigenen Räucherkammer. Die Begleiterin steht auf Tafelspitz (Fr. 39.–). Mayr hatte dieses traditionsreiche Gericht bereits in neu interpretierter Form im Rössli in Rubigen auf der Karte, wo er bis 2012 tätig war – damals übrigens vom «Gault Millau» mit 13 Punkten bewertet. Dem Testesser steht der Sinn nach Kalbshohrückensteak mit Wintergemüse (Fr. 49.–). Als Beilage wählt er etwas nicht Alltägliches: zwei Scheiben Kürbis- und Spinatstrudel. Wie eine Fahne ragt eine frittierte Pastinakenscheibe vom Teller empor.

Beim Wein setzt die Begleiterin auf einen Zweigelt (Fr. 7.80/dl) aus Österreich. Die Traube wird aus Correctness-Gründen wohl umbenannt, weil Friedrich Zweigelt, der Urheber der Rebkreuzung, ein übler Nazi war. Der Wein ist trotzdem bekömmlich, aber eher leicht. Kräftiger ist der Rioja La Montesa (Fr. 8.20/dl) des Testessers und passt somit zum zarten, leicht rosafarbigen Kalbfleisch. Das Wintergemüse ist etwas sehr knackig.

Dessert? Der Testesser kennt seine süssen Pflichten und bestellt die bayrische Creme (Fr. 16.–), deren Konsistenz in Richtung Pudding oder Mousse geht, mit feinem Geschmack und nicht zu süss. Als Kontrast liegen dünn geschnittene Blutorangenscheiben auf dem Teller. Die Begleiterin will nur einen Löffel zum Naschen, bekommt aber einen eigenen Teller, das hat Stil. Nun vernimmt man eine Kinderstimme. Es ist Töchterchen Alina. Die Kleine schaut den Eltern oft bei der Arbeit zu, und manchmal schneidet sie weiche Pilze in Scheiben. Früh übt sich. Wir sind nach unserem Besuch sehr zufrieden mit dem Gebotenen – und «Chrüter-Oski», nach dem die «Chrüterstube» benannt ist, wäre es sicher ebenfalls, auch wenn Mayr seine eigene Handschrift hat.

Die Rechnung, bitte

Karte: Gehobene Gourmetküche mit Liebe zum Regionalen und zu Kräutern – «Chrüter-Oski»- like, aber mit eigenem Stil, zum Teil mit bayrischen Akzenten (Frühschoppen mit Weisswurst und Bretzeln). Noch nicht im «Gault Millau» verzeichnet.

Preise: Gehoben, der Qualität des Gebotenen entsprechend.

Kundschaft: Feinschmecker und Freunde des gehobenen Sonntagsbrunchs. Im Säli im Obergeschoss gibt es manchmal musikalische Live-Events (etwa am 31. Januar), oder der Wirt lässt auf einem Grammophon aus den 1920er-Jahren alte Schellackplatten laufen («His Master’s Voice»).

Öffnungszeiten: Im Winter dienstags (neu!) bis freitags 10–14 Uhr und 18–23 Uhr; Sa/So 10–23 Uhr; montags geschlossen.

Adresse: Restaurant Moospinte, Christoph und Stephanie Mayr, Patricia Riedo, Lyssstrasse 39, 3053 Münchenbuchsee.

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