Können Antidepressiva meinem ängstlichen Kind helfen?

Janine Karrasch
Janine Karrasch

Immer mehr Kinder leiden unter krankhaften Ängsten. Viele Eltern stehen dann vor der Frage, ob sie auf medizinische Therapien zurückgreifen sollen.

kind und teddy sitzen auf dem boden
Immer mehr Kinder leiden unter krankhaften Ängsten. - Depositphotos

In der Kindheit und Jugend sind Ängste, Sorgen und nervöse Gedanken keine Seltenheit. Ob Angst vor Dunkelheit, die Aufregung vor dem ersten Schultag oder Prüfungsstress – ein gewisses Mass an Unruhe ist völlig normal.

Doch bei manchen jungen Menschen kann diese Angst so intensiv werden, dass sie das alltägliche Leben beeinträchtigt: zu Hause, in der Schule, im Freundeskreis und sogar auf körperlicher Ebene.

Als Elternteil möchte man natürlich alles tun, um dem leidenden Kind zu helfen. Doch was ist der beste Weg? Wäre eine Therapie sinnvoll oder doch Medikamente – oder beides?

Angsterkrankungen bei Jugendlichen: Ein unterschätztes Problem

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern. In den letzten Jahren geht die Zahl der Erkrankten immer weiter nach oben.

trauriges kind, eltern im hintergrund
Familäre Spannungen oder gar Scheidungen führen bei Kindern oft zu Ängsten. - Depositphotos

Krankhafte Angst entsteht, wenn Ängste übermässig stark auftreten und langfristig bestehen. Trennungsangst tritt häufig im Vorschulalter auf: Kinder haben Angst vor Trennung von Bezugspersonen und verweigern oft den Schulbesuch.

Phobien betreffen spezifische Objekte oder Situationen, etwa Tiere oder soziale Interaktionen, und lösen starke Panikreaktionen aus. Die generalisierte Angststörung äussert sich durch anhaltende Sorgen über viele Themen, oft begleitet von Schlafproblemen.

Woher kommt die Angst?

Genetische Faktoren spielen eine grosse Rolle. Kinder von Eltern mit Angststörungen haben ein höheres Risiko, selbst betroffen zu sein.

Auch der Erziehungsstil beeinflusst die Entstehung von Ängsten. Überbehütendes Verhalten von Helikoptereltern oder mangelnde emotionale Wärme können Ängste fördern.

Belastende Lebensereignisse wie Scheidungen oder Unfälle erhöhen ebenfalls das Risiko. Schliesslich sind traumatische Erfahrungen wie Missbrauch ein häufiger Auslöser für Angststörungen.

Der Weg zur Diagnose

Die Diagnose einer Angststörung bei Kindern erfolgt durch eine klinische Bewertung, die auf den Kriterien des DSM-5 basiert. Dabei werden Symptome wie übermässige Sorgen, Konzentrationsprobleme oder Schlafstörungen erfasst, die mindestens sechs Monate anhalten und die soziale oder schulische Funktionsfähigkeit beeinträchtigen.

kleines mädchen beim kinderarzt
Vor der Diagnosestellung müssen körperliche Ursachen für die Ängste ausgeschlossen werden. - Depositphotos

Eine umfassende Anamnese ist essenziell, um die Entwicklung des Kindes sowie familiäre und schulische Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Eltern, Lehrkräfte und das Kind selbst werden befragt, um mögliche Ursachen und das Ausmass der Störung zu ermitteln.

Zusätzlich setzen Therapeuten strukturierte Fragebögen und Verhaltensbeobachtungen ein, mit denen sie die spezifische Form der Angststörung identifizieren. Organische Ursachen müssen natürlich ausgeschlossen werden, bevor eine psychische Diagnose gestellt wird.

Wie wird die Angststörung behandelt?

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hilft Kindern, Ängste zu bewältigen und langfristig zu überwinden. Sie lernen, negative Denkmuster zu erkennen und angstauslösende Situationen schrittweise zu meistern.

Entspannungstechniken wie Atemübungen oder progressive Muskelentspannung wirken unterstützend. Doch auch Sie als Eltern spielen eine zentrale Rolle.

kind bei therapeutin
Die kognitive Verhaltenstherapie ist die am besten erforschte und wirksamste Methode. - Depositphotos

Versuchen Sie, Ihr Kind zu stärken und Vermeidungsverhalten zu reduzieren. Eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva sollten Sie gründlich abwägen.

Kann Medizin meiner Tochter/meinem Sohn wirklich helfen?

Antidepressiva wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) können bei Kindern mit Angststörungen helfen, die Symptome zu reduzieren. Sie zeigen in Studien eine grössere Wirksamkeit als Placebos.

SSRI erhöhen die Serotoninkonzentration im Gehirn und reduzieren die Symptome. Meist sprechen Kinder gut auf die Medikamente an und verspüren subjektiv weniger Angst.

In der Schweiz sind keine Antidepressiva spezifisch für die Behandlung von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen zugelassen. Fluoxetin oder Sertralin werden in der Praxis dennoch häufig off-label eingesetzt. Dies erfolgt mit Einverständnis der Eltern und unter strenger Risiko-Nutzen-Abwägung.

Antidepressiva haben Nebenwirkungen

Die Einnahme von Antidepressiva bei Kindern mit Angststörungen kann verschiedene Nebenwirkungen haben. Häufig treten Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen oder Gewichtszunahme auf, die jedoch oft mit der Zeit nachlassen.

Ein ernsthafter Nachteil ist das erhöhte Risiko für suizidale Gedanken und Verhaltensweisen, insbesondere zu Beginn der Behandlung. Daher ist eine engmaschige Überwachung durch Ärzte essenziell.

antidepressiva für kinder
Antidepressiva können bei Kindern mit Angststörungen eine unterstützende Rolle spielen, wenn psychotherapeutische Massnahmen nicht ausreichend wirken. - Depositphotos

Langfristige Risiken wie mögliche Auswirkungen auf die körperliche und seelische Entwicklung sind schwer abschätzbar. Zudem sind die Medikamente bei Kindern im Allgemeinen weniger wirksam als bei Erwachsenen.

Muss mein Kind jetzt immer Medizin nehmen?

Die Einnahme von Antidepressiva ist keine lebenslange Verpflichtung. Es gibt keinen Grund zur Scham, wenn Ihr Kind ein Antidepressivum benötigt.

Je nach Schweregrad der Symptome ist es sogar möglich, dass Ihr Kind die Dosis schrittweise reduziert, bis es keine Medizin mehr braucht. Im Allgemeinen sind Antidepressiva eine sichere und effektive Behandlung für Angstzustände, vor allem in Kombination mit Therapien wie der kognitiven Verhaltenstherapie.

Wenn Ihr Kind jedoch nicht gut auf die Therapie oder Medikation anspricht, sollten Sie sofort den Arzt kontaktieren.

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