Wenn die Geburt zum Horrorerlebnis wird
Eigentlich sollte die Geburt der schönste Tag im Leben von Sefora Cuoco werden. Doch es kam anders: Die Geburt wurde für sie und ihr Baby zum Horrorerlebnis.
Das Wichtigste in Kürze
- Schätzungen gehen davon aus, dass 50 Prozent der Frauen Gewalt unter der Geburt erleben.
- Gewalt kann physisch aber auch psychisch sein.
- Auch Bloggerin Sefora Cuoco erlebte Gewalt unter der Geburt.
- Für Nau Familie erzählt sie, was geschah und wie sie das Erlebte verarbeitet hat.
Als ich erneut schwanger wurde, war für uns früh klar, dass wir eine Hausgeburt anstreben möchten. Die Schwangerschaft war komplikationslos, so stand unserem Wunsch nichts entgegen.
Es war ein regnerischer Tag im November, als abends meine Wehen begannen. Am Morgen fand noch der letzte Kontrolltermin bei meiner Hebamme statt.
Sie meinte: «Heute ist ein guter Tag für die Geburt.» Ich stimmte ihr zuversichtlich zu. Die Geburt sollte bald beginnen, gut wurde der Tag leider nicht.
Friedlicher Start
Ich begann, relativ gut die Wehen zu veratmen, bat meinen Mann trotzdem unsere Doula (eine nichtmedizinische Helferin zur Begleitung der Geburt. Anm. d. Red.) zu rufen. Gesagt getan.
Unsere Doula kam, und die Geburt schritt friedlich voran.
Ein paar Stunden später kam auch meine Hebamme, sichtlich müde von der Geburt, die sie vergangene Nacht begleitete. Sie meinte bald, es sei Zeit für eine vaginale Untersuchung.
Ich stimmte nichts ahnend zu, auch weil ich davon ausging, dass sie die Untersuchung achtsam durchführen würde.
Gewalt unter der Geburt hat verschiedene Formen
Sie zupfte während dem Untersuch unkontrolliert an meinem Muttermund. Dies schmerzte mich so stark, dass ich mich während der Wehenpausen nicht mehr entspannen konnte.
Ich wollte mich verlegen lassen und war wütend und verletzt. Ich fühlte mich nicht ernst und wahrgenommen.
Meine Hebamme wurde daraufhin emotional übergriffig und meinte, dass es gegenüber den weiteren Beteiligten der Geburt (sie, mein Mann und die Doula) nicht fair sei, wenn wir jetzt abbrechen und verlegen würden.
So etwas der Gebärenden während einer Geburt zu sagen ist übergriffig und eine Form von psychischer Gewalt.
Horrorfahrt ins Spital
Da meinem Wunsch der Verlegung viel zu spät nachgegangen wurde, war die Fahrt in der Ambulanz der reinste Horror. Wir fuhren mit Blaulicht von Zürich nach Richterswil.
Ich lag im Krankenwagen mit Presswehen und wurde aufgefordert, nicht zu pressen.
Im Spital angekommen kam mein Sohn innerhalb von zehn Minuten zur Welt. Er wurde während der Geburt derart gestresst, dass wir ihn danach schnellstens in das Kinderspital verlegen mussten.
Die Zeit danach war der reinste Horror.
Austausch mit Betroffenen schafft Entlastung und neue Ideen
Ein Gefühl, welches mich nach der Geburt sehr lange begleitete, war Scham. Scham, nicht gut genug geboren zu haben. Ich fühlte mich so, als hätte ich etwas falsch gemacht.
Als ich mich sechs Monate nach der Geburt auf Social Media öffnete und von meiner traumatischen Geburt erzählte, bekam ich viele Rückmeldungen von Betroffenen.
Vielen Frauen war es nicht bewusst, dass sie Gewalt erlebt hatten, bis sie meine Geburtsgeschichte lasen.
Schätzungen gehen davon aus, dass jede zweite Frau Gewalt unter der Geburt erlebt hat. Diese Zahl ist viel zu hoch.
Jedes Jahr wird am 25. November der «Roses Revolution Day» durchgeführt. Eine Aktion, bei der Betroffene eine Rose vor den Geburtsort legen, an dem sie Gewalt erlebt haben.
Dies trägt zur individuellen Heilung sowie zur kollektiven Bewusstseinsförderung zum Thema bei.
Mit einer Freundin, die ebenfalls Gewalt während der Geburt erlebt hatte, entschlossen wir uns dazu, zusammen mit weiteren Betroffenen einen Verein zu gründen.
Geplante Projekte für 2021 sind neben einem Hilfetelefon für Betroffene, auch regionale Selbsthilfegruppen. Weitere Infos für Betroffene findet Ihr in unserer Facebook Austauschgruppe.
Und wie war Eure Geburtsreise? Habt Ihr auch Gewalt unter der Geburt erlebt?
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Artikel verfasst von Sefora Cuoco
Achtsames Familienleben, Echtheit und Enttabuisierung liegen mir am Herzen. In meinem Blog youngmomsefoo.com berichte ich authentisch über tägliche Anekdoten des achtsamen Frau- und Muttersein.
Nau Familie
Im Rahmen der Serie Nau Familie teilen Blogger und Bloggerinnen ihre Erfahrungen, Tipps und Tricks als Eltern. Die Schreibenden sind Teil des Netzwerks Schweizer Familienblogs.