Haben wirklich immer mehr Menschen Krebs?
Darm, Bauchspeicheldüse, Lunge: Gefühlt immer mehr Menschen haben und sterben an Krebs. Ist das wirklich so? Oder schaltet die Medizin einfach alles andere aus?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Weltgesundheitsorganisation bestätigt: Immer mehr Menschen erkranken an Krebs.
- Parallel wird die Forschung besser: Immer öfter kann man Krebs als solchen erkennen.
- Und: Gerade in Industrieländern hat die Medizin viele andere Krankheiten im Griff.
Neulich im Zug. Der Abteilungsleiter des anderen Unternehmens, den Sie noch von früher kannten, Mann in den besten Jahren, Tennisspieler, reist in Begleitung und mit einem grauen Gesicht. Während Sie noch überlegen, was den Armen wohl getroffen hat, lesen Sie Tage später in der Zeitung: plötzlicher Tod. Krebs.
Oder die Schwägerin Ihrer Freundin. Regelmässig zur Untersuchung beim Frauenarzt, und trotzdem: von jetzt auf gleich sind Knötchen in der Brust. Diagnose: Brustkrebs, gestreut.
Vielleicht haben Sie sich dann auch schon die Frage gestellt: «Nur mein Eindruck, oder erkranken wirklich immer mehr Menschen an Krebs?» Hier Fakten zum Thema.
1. Immer mehr Menschen erkranken an Krebs
Es ist nicht nur Ihr Eindruck, denn: Ja, immer mehr Menschen erkranken an Krebs.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung, die zur WHO gehört (Weltgesundheitsorganisation), rechnet damit, dass die Zahl der Krebserkrankungen weltweit bis zum Jahr 2050 um 77 Prozent steigen wird. Bei den einen aufgrund des Lebensstils – Rauchen und Alkohol –, andere sind schlicht Opfer von Umweltverschmutzung.
In der Schweiz gelten Krebserkrankungen heute als die zweithäufigste Todesursache. Sie ist für rund ein Viertel aller Todesfälle verantwortlich, so die Krebsliga auf ihrer Webseite.
2. Immer mehr Krebserkrankungen kann man erkennen
Dank Fortschritten in der medizinischen Technologie kann man heute mehr Krebserkrankungen diagnostizieren als früher.
Beispiel Mammografie. Regelmässige Screenings lassen Veränderungen im Brustgewebe frühzeitig sichtbar werden. Handelt es sich dann um Brustkrebs, kann gleich behandelt werden – er ist kein Todesurteil mehr.
Ähnlich ist die Situation bei Prostatakrebs. Und auch Darm- oder Hautkrebs lassen sich mittlerweile gut durch Vorsorgeuntersuchungen ausschliessen oder erkennen.
Wichtig hier: Was einmal als Krebs erkannt ist, kann als Krebserkrankung in eine Statistik einfliessen – und nicht beispielsweise als Lungenembolie (weil niemand drauf gekommen ist, dass der lästige Husten auf Krebs zurückzuführen ist).
Auch das führt dazu, dass es gefühlt immer mehr Krebs «gibt» – einfach, weil die Wissenschaft gelernt hat, besser hinzusehen.
3. Immer weniger andere Krankheiten führen zum Tod
In der Schweiz sind Menschen früher oft an Infektionskrankheiten gestorben. Tuberkulose, Grippe, Pocken und Typhus waren häufige Todesursachen.
Die Medizin hat dem Grenzen gesetzt – Beispiel Antibiotika oder Impfungen. Das Krankheitsspektrum hat sich aber verschoben.
Statt an Infektions- sind «chronische Krankheiten» heute die häufigste Todesursache. Als «chronische» Krankheit gilt, woran man nicht mehr einfach stirbt, sondern womit man auch länger leben kann. Dazu gehört neben Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch Krebs.
Bei Krebs unterscheidet die Wissenschaft heute mehr als 300 verschiedene Arten.
Auch diese Zahl verstärkt vielleicht unsere Wahrnehmung, dass immer mehr Menschen an Krebs sterben. Tatsächlich aber sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen heute die häufigste Todesursache in der Welt.