Agavendicksaft: Der umstrittene Zuckerersatz
Lange Zeit galt Agavendicksaft als gesunder, kalorienarmer Zuckerersatz. Doch mittlerweile mehren sich kritische Stimmen, die den Hype entzaubern.
Das Wichtigste in Kürze
- Agavendicksaft wird in Mexiko aus Agaven gewonnen.
- Der Sirup erinnert im Aussehen an Honig, ist jedoch wesentlich süsser.
- Der hohe Anteil an Fruktose wird mittlerweile kritisch betrachtet.
Herkömmlicher Zucker hat sich in den letzten Jahren zum Prügelknaben der Ernährungsbewussten entwickelt.
Er steckt in viel zu grossen Mengen in viel zu vielen Lebensmitteln, macht dick und lässt die Zähne faulen.
Doch ganz ohne Süsse geht es nicht und so schien Agavendicksaft eine willkommene Alternative. Allerdings hat diese Alternative auch einen Haken.
Der Sirup aus der Agave
Die Agave americana ist eine Wüstenpflanze, die vor allem in Zentralmexiko wächst. Die Blätter der Pflanze können über drei Meter lang werden. Zur Gewinnung des Nektars wird der innere Kern der Pflanze entfernt. In dem so entstandenen Loch sammelt sich täglich über ein Liter Sirup an.
Dieser wird entnommen, gefiltert und durch Erhitzen haltbar gemacht. Während er in Zentralamerika schon lange eingesetzt wird, wurde er in Mitteleuropa vor allem mit der Hype um gesunde Ernährung bekannt. Auch Veganer verwenden Agavendicksaft gerne als pflanzlichen Ersatz für Honig.
Aufgrund der hohen Süsskraft bei relativ niedrigem Kaloriengehalt wurde der Agavensirup als Ersatzprodukt für Zucker interessant. Dieser wird aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr gewonnen und hat als Industriezucker einen schlechten Ruf.
Hohe Nachfrage führt zu Monokulturen
Doch die rasant gestiegene weltweite Nachfrage nach Agavendicksaft hat verheerende Folgen für die Natur. Vor allem in Zentralmexiko sind Monokulturen entstanden, in denen ausschliesslich Agaven angebaut werden.
Monokulturen belasten die Böden und verdrängen andere Pflanzen. Dazu werden natürliche Wälder abgeholzt, um Platz für weitere Anbaugebiete zu schaffen. Nicht zuletzt hat Agavendicksaft eine negative Ökobilanz beim Transport, denn er muss von Mexiko aus herangeschafft werden.
Ernährungswissenschaftler sehen Fruktose kritisch
Doch nicht nur der Anbau und Transport von Agavendicksaft wird mittlerweile kritisch betrachtet. Auch der Sirup selbst steht am Pranger: Er besteht nämlich zu 75 bis 80 Prozent aus Glukose und Fruktose.
Vor allem der hohe Fruktoseanteil ist problematisch, denn Fruktose (Fruchtzucker) hat zahlreiche negative Auswirkungen auf die Gesundheit.
So hat zu vielFruktose einen negativen Einfluss auf den Stoffwechsel. Der Zucker sorgt dafür, dass Fette im Körper eingelagert werden. Dies führt wiederum zu Übergewicht, einem erhöhten Cholesterinspiegel und lässt das Risiko für Diabetes steigen.
Nicht zuletzt leiden viele Menschen unter einer Fruktoseintoleranz. Mit geringen Mengen Fruchtzucker, zum Beispiel beim Essen eines Apfels, wird ihr Körper noch fertig. Doch nimmt die täglich konsumierte Menge Fruktose zu, kann dies zu verschiedenen Magen-Darm-Beschwerden führen.
Agavendicksaft nur mit Vorsicht geniessen
Sollte Agavendicksaft nun komplett aus dem Haushalt verbannt werden? Nicht unbedingt. Er kann gezielt zum Süssen bestimmter Nahrungsmittel verwendet werden. Verbraucher sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass es sich eben nicht um einen gesunden Zuckerersatz handelt und dass jedes importierte Glas Agavendicksaft einen hohen CO2-Fussabdruck hinterlässt.
Wenn überhaupt, sollte nur hochwertiger Bio-Agavensirup von kleinen Fairtrade-Herstellern gekauft werden. Dabei ist zumindest sichergestellt, dass der Sirup ohne Chemikalien verarbeitet wurde und dass die Arbeiter fair entlohnt werden.
Regionale Produkte als ökologisch sinnvoller Ersatz
Vielfach lässt sich Agavensirup durch einheimische Produkte ersetzen. An erster Stelle sei Honig genannt, der in Süsse und Substanz die grösste Ähnlichkeit aufweist. Wer auf tierische Produkte verzichten will, der findet aber auch eine Reihe pflanzlicher Alternativen.
Ein Klassiker der Schweizer Küche ist Birnendicksaft, der zum Beispiel im Luzerner Lebkuchen steckt. Er lässt sich für Backwaren, Desserts, Müslis und mehr verwenden. Apfeldicksaft hat einen stärkeren Eigengeschmack, der vor allem Apfelfans schmecken dürfte. Beide Varianten haben jedoch auch einen hohen Fruktosegehalt.
Newcomer Reissirup
Eine beliebte Alternative mit geringem Fruktosegehalt ist der ursprünglich aus Kanada stammende Ahornsirup. Er wird aus Ahornbäumen gewonnen und ist reich an Nährstoffen. Ein Newcomer unter den Süssungsmitteln ist Reissirup. Dieser stammt ursprünglich aus Japan, wird aber mittlerweile auch in Europa gewonnen.
Anders als für Agavensirup ist für Ahorn- und Reissirup keine Naturzerstörung zum Anlegen von Monokulturen erforderlich. Im Gegenteil, Ahornbäume wirken sich positiv auf die Umwelt aus. Es lohnt sich also, verschiedene Alternativen zu testen.
Schlussendlich bleibt Zucker aber in jeder Form noch immer Zucker, der im Übermass genossen, schädlich wirkt. Gesünder wäre eine Zuckerentwöhnung, denn längst nicht alle Gerichte müssen unbedingt süss schmecken.