Frauenstreik: Dore Heim führte die Frauen 1991 auf die Strasse
Im Juni findet der zweite Frauenstreik statt. Doch lohnt sich streiken überhaupt? Was hat der erste Streik von 1991 gebracht? Wozu ist ein zweiter nötig?
Das Wichtigste in Kürze
- Dore Heim gehörte zu den Mit-Organisatorinnen des ersten Schweizer Frauenstreiks von 1991.
- Am 14. Juni findet nun der zweite Frauenstreik statt.
- Heim blickt für Nau zurück und erklärt, was der erste nationale Frauenstreik gebracht hat.
Am 14. Juni findet der zweite nationale Frauenstreik statt. Warum fiel die Wahl auf genau diesen Tag? Lassen Sie uns die Zeit zurückdrehen.
Zurück ins letzte Jahrhundert. Wir schreiben das Jahr 1981. Seit zehn Jahren haben die Frauen das Stimmrecht. Zumindest auf nationaler Ebene.
Noch immer gibt es einige Kantone, die Meinung und Willen ihrer Frauen auf keinem Stimmzettel lesen wollen. Erst neun Jahre später, 1990 nämlich, wird das Kantons- und Gemeindestimmrecht überall eingeführt.
Frust führte zum ersten Frauenstreik
1981 passiert ein anderer hoffnungsvoller Schritt: Der Grundsatz, dass die Geschlechter gleichbehandelt werden, wird in die Schweizer Verfassung aufgenommen.
Der «Gleichstellungs-Artikel» setzt Männer und Frauen in allen Lebens- und Rechtsbereichen gleich. Dazu gehört auch gleicher Lohn bei gleicher Arbeit.
1988 folgt das neue Eherecht. Der Mann ist jetzt nicht mehr per Gesetz das Oberhaupt der Familie. Die Frau nicht mehr dazu verpflichtet, den Haushalt zu führen.
Frau hatte gleiche Rechte wie ein Kind
«Bis dahin war die Ehefrau unmündig wie ein Kind», sagt Gewerkschafterin Dore Heim. «Viele sind sich gar nicht bewusst, dass bis 1988 das Ehegesetz von 1912 in Kraft war.» Nun hatte Frau also in den meisten Belangen gleiche Rechte, wie der Mann. Zumindest auf dem Papier.
«Aber das reicht nicht. 1991 wurde uns klar: Der Gleichstellungsartikel ist 10 Jahre alt. Aber verändert hat sich noch immer zu wenig.»
Der erste Frauenstreik von 1991
Die Frauen waren wütend. «Da haben wir beschlossen, zu streiken», so Heim, die eine der Mit-Organisatorinnen beim ersten Frauenstreik war.
«Wenn Frau will, steht alles still», stand auf Transparenten und schallte durch die Strassen. «Wir wollten aufzeigen, wie viel unsichtbare und unbezahlte Arbeit Frauen leisten. Das merkt die Gesellschaft nämlich erst, wenn die Arbeit mal nicht gemacht ist.»
«Wenn Frau will, steht alles still»
Und heute? «Das Problem ist noch das gleiche», sagt Heim. Klar, die rechtliche Situation sei heute sehr viel besser. Auch das Bewusstsein der Gesellschaft sei geschärft.
Aber noch immer leisten viel mehr Frauen kostenlose oder schlecht bezahlte Care-Arbeit. Sei es Haushalt, Kinder- oder Altenpflege.
«Die Forderungen für den zweiten Frauenstreik sind darum klar», sagt Heim. «Hausarbeit muss künftig von Männern und Frauen gleichermassen erledigt werden. Wir brauchen Tagesstrukturen, damit Frauen ihre Erwerbsarbeit nicht um die Familie herum basteln müssen.»
Auch ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit für Männer und Frauen würde helfen. «So können sie nach einer Babypause oder einer längeren Betreuungsphase mit einem kleineren Pensum problemlos wieder aufstocken.
«Mit dieser Sicherheit», ist Heim überzeugt, «würden sich auch Männer in der ersten Zeit der Vaterschaft getrauen, Teilzeit zu arbeiten. Damit würden sie in der Familie vom Hilfsarbeiter zum echten Partner.»
Heim ist überzeugt, dass der zweite Streik etwas in Bewegung setzen wird. Vielleicht bereits in Bewegung gesetzt hat.
Denn auch jener von 1991 hatte Auswirkungen. «Die Wahl von Ruth Dreifuss zur Bundesrätin beispielsweise. Sie ist auf der Strasse erzwungen worden.»