Outdoor: Wie gefährlich ist das Wandern über einen Gletscher?
Schneebedeckte Gletscher gehören zu den reizvollsten Erlebnissen im Outdoor, doch bei Wanderungen sind einige Dinge zu beachten.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz gab es 2022 insgesamt 70 Gletscherstürze.
- Der Klimawandel macht Gletscherwanderungen gefährlicher.
Vor nicht allzu langer Zeit waren Gletscherwanderungen vor allem im Sommer ein unvergessliches Erlebnis: Im Tal glitzerte die Sonne auf Badeseen, im Hochgebirge stapften Sie durch den Tiefschnee. Doch durch den Klimawandel gehen die Gletscher in den Alpen immer wieder zurück. Dies birgt neue Gefahren.
Outdoor: Der Gletscherschwund in der Schweiz
Eine Rekonstruktion der ETH Zürich und der WSL mithilfe alter Fotos brachte es ans Tageslicht: Zwischen 1931 und 2016 hat sich das Volumen der Schweizer Gletscher um die Hälfte verringert.
Noch in den 1980er-Jahren wurde sogar ein Gletscherwachstum gemessen, doch seither beschleunigt sich der Schwund: von 2016 bis 2022 um weitere 12 Prozent.
Grosse Gefahr droht vor allem durch Hohlräume im Gletscher, die irgendwann einstürzen und Gletscherspalten bilden. Ein weiteres Problem sind murenartige Abgänge: Diese entstehen, wenn das immer dünnere Eis an Steilflanken keinen Halt mehr hat.
Gemeinsam mit Geröll und Schmelzwasser stürzen dann grosse Massen ins Tal und werden zur tödlichen Gefahr für Wandererinnen und Wanderer.
Immer mehr Rettungseinsätze am Gletscher
Die Statistik der Schweizer Bergrettung spricht eine deutliche Sprache: 2022 gab es insgesamt 70 Rettungseinsätze nach Spaltenstürzen. Dies ist doppelt so viel wie der Durchschnitt der letzten zehn Jahre.
Einzelne Stürze sind jedoch nicht so schlagzeilenträchtig wie grosse Unglücke. Ein solches ereignete sich Anfang Juli 2022 am norditalienischen Marmolatagletscher in den Dolomiten: Insgesamt elf Alpinisten kamen hier bei einer Eislawine ums Leben, acht weitere wurden verletzt.
Sicher auf dem Gletscher unterwegs
Expertinnen und Experten raten dazu, Gletscher ausschliesslich am Seil gesichert zu gehen. Ideal sind Seilschaften mit vier oder fünf Personen. Sollte eine Person tatsächlich einmal in eine Spalte stürzen, dürften die anderen stark genug sein, um den Sturz aufzuhalten.
Bei einer 2er-Seilschaft kann es dagegen vorkommen, dass die zweite Person mitgerissen wird. Die Abstände zwischen zwei Personen sollten sieben bis acht Meter betragen.
Ausserdem sind vor jeder Gletscherwanderung die aktuellen Hinweise zu beachten und Streckensperrungen zu respektieren. Blanke Gletscher, also solche, bei denen der Schnee schon komplett geschmolzen ist, sind weniger gefährlich als verschneite Gletscher. Dies liegt daran, dass sich Risse und Spalten hier viel leichter erkennen lassen, als unter dem Schnee.
Gletscherwanderungen in der Gruppe
Wenig empfehlenswert ist es, alleine oder zu zweit im Outdoor loszuziehen. Besser ist es, sich mit anderen Outdoor-Fans zusammenzutun und einen erfahrenen Bergführer zu engagieren.
Zwar kann eine Gruppe keinen kompletten Schutz bieten, wie das Unglück an der Marmolata zeigte, doch sicherer ist sie allemal. Ortskundige Führer kennen sich besser aus und sind über die neuesten Entwicklungen an ihrem Gletscher informiert.
Die Jahreszeit spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: Im Frühling und Frühsommer liegt im Hochgebirge oft noch viel Schnee, der morgens oft hart und gefroren ist.
Ein früher Aufbruch noch vor der Morgendämmerung ist ideal, denn tagsüber bei steigenden Temperaturen schmilzt der Schnee. Dann steigt das Risiko von Spaltenbrüchen durch den weichen Schnee rasant an.
Ein letzter Tipp: Wer zu Gletscherwanderungen im Outdoor aufbricht, sollte die Spaltenbergung beherrschen. Diese kann im Ernstfall Leben retten. Kurse bieten alle Alpenvereine an.