Vatertag: Dachverband der Väterorganisationen will mehr Beachtung

Philipp Kobel
Philipp Kobel

Bern,

In Deutschland eine feste Grösse, geniesst der Vatertag in der Schweiz wenig Beachtung. Das muss sich ändern, fordert der Dachverband der Väterorganisationen.

Vaterschaftsurlaub
Ein Vater mit seinen Kindern. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am ersten Sonntag im Juni findet der Schweizer Vatertag (auch Vätertag) statt.
  • Den Tag gibt es in der Schweiz – anders als in anderen Ländern – offiziell erst seit 2007.
  • Männer.ch, Dachverband der Schweizer Väterorganisationen, fordert mehr Beachtung des Tags.

Heute ist Schweizer Vätertag. Während es diesen hierzulande offiziell erst seit 2007 gibt, wird er im benachbarten Ausland seit Jahrzehnten zelebriert. In Deutschland gibt es den Vätertag sogar seit über einem Jahrhundert.

Lanciert hat den Schweizer Vätertag der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Nau führte zum Vätertag ein Interview mit Daniel Bekcic, Leiter Politik von männer.ch. Das Interview fand schriftlich statt.

Nau.ch: Welche Zielsetzung hat der Schweizer Vätertag?

Daniel Bekcic: Am Vätertag werden die vielfältigen Beiträge der Väter an Familie und Gesellschaft gewürdigt. Insofern darf er durchaus als Pendant zum Muttertag verstanden werden. Männer.ch geht es darum, dass wir alle an diesem Tag über die Rolle des Mannes als Vater in unserer Gesellschaft nachdenken. Da offenbart sich nämlich auch die politische Brisanz des Vätertags. Spätestens seit der industriellen Revolution nämlich finden Väter in Familien eigentlich nicht statt. Jahrzehntelang und bis jüngst waren Väter in erster Linie Ernährer der Familie. In der Familie, bei der alltagsnahen Erziehung und Betreuung des Nachwuchses fehlten Männer weitgehend – und tun dies noch immer viel zu oft. Nur einer von zehn Vätern reduziert sein Vollzeitpensum nach Geburt des Kindes, obwohl neun von zehn Vätern sich mehr Zeit für die Familie wünschen. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an Väter. Sie sollen heute präsente Väter sein, emotional zugänglich und aktiv an der Erziehung und Betreuung beteiligt. So steigt auch der Anteil der geleisteten Familien- und Hausarbeit der Männer in den letzten Jahren stetig. Vollzeitpensum bei mehr Arbeitsstunden im Haushalt bedeutet, dass Väter langsam aber sicher in ein Problem hineinstolpern, das berufstätigen Müttern schon längst bekannt ist: Die Doppelbelastung von Familie und Arbeit. Väter haben zunehmend ein Vereinbarkeitsproblem.

Daniel Bekcic, Leiter Politik von männer.ch.
Daniel Bekcic, Leiter Politik von männer.ch. - zvg

Nau.ch: Wird es also zunehmend auch ein Problem der Gleichstellung?

Daniel Bekcic: Absolut. Wenn Mütter in hohem Pensum berufstätig sind, ernten sie bewundernde bis abschätzige Kommentare, weil sie – so die zugrundeliegende Annahme – im Verdacht stehen, ihre Pflichten als Mütter zu vernachlässigen. Väter, die ihr Pensum für die Familie reduzieren, stossen ebenfalls auf Be- und Verwunderung oder auf Ablehnung, besonders die der Arbeitgebenden. Dabei sollte doch inzwischen klar sein, dass Vater und Mutter gleich gute Eltern sind und dass beide das Bedürfnis nach Nähe zu ihrem Nachwuchs haben, nach Einfluss auf ihre Entwicklung. Es ist Zeit, dass Väter für dieses Bedürfnis kämpfen - für echte Gleichberechtigung. Der Anteil, der im Ringen um echte Gleichberechtigung den Vätern zukommt, wird in der Gleichstellungspolitik leider immer noch oft vergessen. Die unerlässlichen Beiträge der Väter sollen verdankt und wertgeschätzt werden. Am Vätertag und an allen anderen Tagen des Jahres.

Nau.ch: Wird dem Vatertag in der Schweiz genug Beachtung geschenkt?

Daniel Bekcic: Nein. Der Vergleich zum Muttertag ist auch hier sehr aufschlussreich: Kaum jemand kennt den Vätertag, noch weniger feiern ihn aktiv. In Schulen werden kaum Geschenke für den Papa gebastelt und der Detailhandel entdeckt ihn nur mit grösster Vorsicht als potenziellen Kassenschlager. Darin spiegelt sich der Stellenwert, der dem Mann als Vater in Politik und Gesellschaft gegeben wird. Während die Mutter um den Familienalltag besorgt sein muss, ist der Vater immer noch zu oft ein eigentlich Abwesender, dessen Belange keine spezielle Würdigung oder politische Beachtung verdienen.

Nau.ch: Gibt es politische oder andere Anliegen, die ihrem Verein am Vatertag besonders am Herzen liegen?

Daniel Bekcic: Wer heute gleichberechtigter Vater sein will, hat einige Hürden zu überwinden. Er muss sich ständig für sein Teilzeitpensum erklären, nicht zuletzt weil mangels Lohngleichheit und Individualbesteuerung in der Schweiz die vernünftigste Lösung für junge Familien im Vollzeitpensum des Vaters liegt. Frauen werden mit Lohneinbussen und fehlenden Beförderungen für ihre Mutterschaft bestraft und haben so noch weniger Anreiz zum beruflichen Wiedereinstieg auf gleichem Niveau wie vor der Familiengründung. Daran zeigt sich: Es braucht dringend ein Umdenken in der Wirtschaft und die nötigen politischen Rahmenbedingungen. Es braucht einen Vaterschaftsurlaub, wie die Volksinitiative von männer.ch und rund 160 Organisationen ihn fordert und über den 2020 abgestimmt wird.

Nau.ch: Welche Sorgen beschäftigen Schweizer Väter aktuell?

Daniel Bekcic: Was Väter umtreibt, ist das Wohlergehen der Familie. Dabei werden die Erwartungen an die Vaterrolle immer anspruchsvoller. Nicht wenige Väter haben latent Schuldgefühle, weil sie diesen Erwartungen nicht gerecht werden können. Auch hier zeigt sich: Das Vereinbarkeitsproblem ist bei den Männern angekommen – und das ist gut so. Denn Gleichstellungspolitik ist mit 50 Prozent der Bevölkerung nicht zu machen: Ich rufe die Männer auf, sich zu engagieren.

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