Was macht eigentlich eine Traurednerin?
Emotionen wecken, Menschen zum Lachen bringen und zu Tränen rühren: Als Traurednerin muss Simone Schmidt ins Schwarze treffen. Ganz ohne Generalprobe.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Rede bei einer Trauung hält: der Pfarrer oder Pastor. Und immer öfter: der Trauredner.
- Das Werkzeug: gut zuhören können, Einfühlungsvermögen und Lust zum Schreiben.
- Das Material: die Lebensgeschichte des Brautpaars, schöne Momente, die «Liebes-Juwelen».
Wie findet man die richtigen Worte, wenn zwei Menschen sich trauen lassen wollen? Simone Schmidt arbeitet als selbstständige Traurednerin («Nerdlich heiraten») und begleitet Paare an ihrem Hochzeitstag.
Nach ihrer ersten Rede dachte sie: «Nie wieder!». Inzwischen hält sie das Redenschreiben für den besten Job der Welt. Warum, erzählt sie im Job-Protokoll.
Der Weg in den Job
Planen, Organisieren, Fäden zusammenführen und Bälle in der Luft halten – das sind meine Leidenschaften. Neben meinem Vollzeitjob habe ich deshalb schon immer auch in der Gastronomie, später als Assistentin einer Hochzeitsfotografin gearbeitet.
Irgendwann habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, meine Leidenschaften parallel zu meinem Hauptjob noch stärker auszuleben – und eine achttägige Weiterbildung zur Hochzeitsplanerin gemacht.
In einer Phase, in der ich mein Netzwerk aufgebaut habe, wurde ich immer wieder darauf angesprochen, warum ich nicht mal eine Rede bei einer Hochzeit halte. Für mich, eine Person, die nicht gerne im Vordergrund steht, bis dahin unvorstellbar.
2017 kam ein Pärchen auf mich zu, das sich eine freie Trauung wünschte. Es hat mich gefragt, ob ich das machen möchte. Ich habe mir gedacht: Gucken wir mal, wie schlimm es wird.
Und ja, es war schlimm. Ich habe dagestanden, mich gefragt, was ich hier mache. Ich habe gezittert wie selten in meinem Leben. Hinterher war ich überzeugt, das nie wieder zu machen.
Vier Wochen später stand ich wieder vor einem Brautpaar. Seitdem bin ich süchtig.
Die Aufgaben
Seit sich die Corona-Situation wieder etwas entspannt hat, betreue ich etwa 25 bis 30 Hochzeiten im Jahr – auch weil viele Events verschoben wurden.
Viele von meinen Aufgaben haben mit Werbung und Marketing zu tun: etwa netzwerken, Messen besuchen, Social-Media-Posts oder Anzeigen planen und platzieren.
Finanzen und Buchhaltung spielen eine grosse Rolle. Daneben geht es etwa um Kommunikation – Telefonanrufe, E-Mails, Whatsapp-, Instagram- und Facebook-Nachrichten.
Und natürlich treffe ich die Paare: Am besten sieht man sich zweimal live. Ich bin meist schon zwei Tage pro Trauung damit beschäftigt, das Paar zu treffen, im besten Fall Kaffee zu trinken, sich auszutauschen und kennenzulernen.
Dann schreibt man die Rede. Man kann es nicht pauschalisieren, aber ich investiere etwa zehn Stunden pro Rede nur für das Schreiben.
Die schönsten Seiten
Ich würde mich als Tränenjägerin bezeichnen. Man sagt mir nach, dass man bei meinen Reden sehr viel lachen kann. Mir geht es aber insgeheim darum, mindestens die erste Reihe der Gäste zum Weinen zu bekommen.
Also Freudentränen und emotionale Tränen – weil man gerade einen sentimentalen Moment erwischt hat.
Zu meinen persönlichen Highlights zählt ebenso, wenn Eltern, Trauzeugen oder Omas und Opas nach der Trauung fast schon auf mich zustürmen und mich umarmen möchten.
Wenn ich Paare kennenlerne, sage ich gerne: Das ist ein wirklich egoistischer Job, den ich hier mache. Man nährt sich an den besten Erinnerungen und Momenten eines Paares. Man hört die schönsten Liebeserklärungen und emotionalsten Geschichten.
Man bekommt total viel – und wird dafür sogar bezahlt.
Die grössten Herausforderungen
Vertrauen und Verantwortung sind wichtige Themen. Man hat bei einer Trauung keine Generalprobe. In der Regel bekommt das Brautpaar die Rede nicht vorher zu sehen. Es geht ja um Emotionen und Überraschung.
Man hat also nur den einen Moment – und der muss sitzen.
Da braucht es ein gutes Bauchgefühl, um als Dienstleister herauszufinden, wer als Paar tatsächlich zu einem passt. Das Paar muss mir viel anvertrauen können, muss ähnlich ticken und denken wie ich.
Die Paare, die ich betreue, sind zu 90 Prozent Nerds, Freaks, Menschen abseits der Norm, die wenig mit Boho, Tauben und Altrosa anfangen können und möchten. Ein wichtiger Punkt ist es für mich deshalb, Nein sagen zu können, wenn es mit einem Paar nicht passt.
Und beim Thema Hochzeit ist längst nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Man bekommt schon mal Familienstreitereien mit, hört bei der Rede Kommentare aus der ersten Reihe.
Im Gespräch mit dem Brautpaar gehört es ebenso dazu, die schlimmsten Themen ansprechen zu können. Trotzdem muss man dann einigermassen cool bleiben.