Weiterbildung: Kann zu viel Fortbildung auch schaden?
Seit Jahren wird den Menschen eingebläut, dass Weiterbildung nützlich und sinnvoll ist. Doch zu viel Weiterbildung kann sich durchaus negativ bemerkbar machen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Weiterbildungsbranche setzt jährlich fast 4,5 Millionen Franken um.
- Fast jeder zweite Schweizer hat 2021 eine Weiterbildung absolviert.
Die Schweizerinnen und Schweizer sind ein wissbegieriges Volk. So könnten sich die Zahlen vom Bundesamt für Statistik der Schweiz lesen lassen. Wonach 44,8 Prozent der 25- bis 74-Jährigen 2021 an einer Weiterbildung teilnahmen.
Dass der Markt boomt, belegen auch die Zahlen des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung (SVEB): Im Jahr 2001 setzte die Erwachsenenbildung etwa 2,5 Millionen Franken um. 2010 war dieser Betrag schon auf 3,5 Millionen gestiegen und kratzte 2022 mit 4,48 Millionen an der Grenze zu 4,5.
Doch in das ständige Drängen auf Weiterbildung mischen sich mittlerweile auch kritische Stimmen. So können sich zu viele Weiterbildungen möglicherweise negativ auf die Bewerbung auswirken.
Weiterbildung: Schlechte Qualität und zu fachfremd
Arbeitgebende weisen darauf hin, dass nicht jedes Weiterbildungszertifikat und Diplom auf dem Arbeitsmarkt Wert hat. So neigen viele Menschen dazu, die Weiterbildungsprogramme auf ihre persönlichen Neigungen auszurichten.
So mag ein Kurs in Creative Writing lehrreich und spannend sein, nützt aber einem Softwareentwickler beruflich nichts.
Sinnvoll wäre er eher für Menschen, die im Marketing oder Journalismus arbeiten. Ein Softwareentwickler profitiert dagegen von Weiterbildungen in neuen Programmiersprachen oder anderen IT-Themen.
Daneben spielt die Qualität eine grosse Rolle: Immer mehr private Anbietende drängen in den lukrativen Weiterbildungsmarkt. Doch derzeit gibt es nur wenig Kontrolle über die inhaltliche und fachliche Qualität der Kurse.
Dies führt dazu, dass Arbeitgebende die entsprechenden Zertifikate kaum bewerten können.
Falsche Erwartungen an die Inhalte
Der Druck des lebenslangen Lernens führt ausserdem dazu, dass sich viele Menschen nur unzureichend informieren. Sie wählen Fortbildungskurse, die sich auf dem Papier interessant anhören und die der eigenen Karriere förderlich sein sollen.
Allerdings stimmen die Kursinhalte dann oft nicht mit dem überein, was tatsächlich am Arbeitsplatz gebraucht wird. Die neuen tollen Zertifikate sind dann rausgeworfene Zeit und oft auch rausgeworfenes Geld.
Abschreckende Wirkung auf Personaler
Nicht zuletzt führt der grosse Eifer bei der Weiterbildung oft zum Gegenteil der erhofften Reaktion bei Personalern und Chefs. Diese fragen sich berechtigterweise, wie viel Zeit die Person tatsächlich mit der Arbeit verbringt.
Gerade bei sehr ehrgeizigen Menschen kann Weiterbildung nämlich auch schnell zur «Droge» werden: Sie sind nie zufrieden und wollen immer mehr, immer häufiger. Darunter leidet dann häufig die ganz normale Arbeit.
Dazu besteht die Gefahr, dass der neue Mitarbeitende schnell wieder abspringt, wenn er nach der nächsten Weiterbildung neue Aufgaben sucht.
Ein weiterer Punkt sind die Kosten: Ein Bewerber, der zahlreiche Zusatzqualifikationen mitbringt, wird vermutlich ein höheres Gehalt fordern.
Wenn die meisten dieser Zusatzqualifikationen nicht benötigt werden, ist diese Person einfach zu teuer. In diesen Fällen kann der eigene beeindruckende Lebenslauf also durchaus ein Schuss sein, der nach hinten losgeht.
Was will ich eigentlich?
Nicht zuletzt kann zu viel Weiterbildung auch fehlende Zielstrebigkeit und unklare Motivation signalisieren. Dies ist vor allem der Fall, wenn es sich um sehr viele unterschiedliche Kurse handelt.
Wer möchte schon jemanden einstellen, der ständig von einer Weiterbildung zur nächsten schwankt und sich auf nichts festlegt?
Dies bedeutet natürlich nicht, dass Fortbildungen aus privatem Interesse und in der Freizeit falsch sind. Sie müssen nur nicht unbedingt im Lebenslauf erwähnt werden.