Zivilcourage: Wann soll ich in kritischen Momenten eingreifen?
Zivilcourage erfordert Mut, in kritischen Momenten für das Richtige einzustehen. Nur woher weiss ich, wann das der Fall ist – und wie verhalte ich mich richtig?
Das Wichtigste in Kürze
- Zivilcourage bedeutet auch, in kritischen Momenten Stellung zu beziehen.
- Es geht darum, in gefährlichen oder ethisch schwierigen Situationen aktiv einzugreifen.
- Für einen möglichst glimpflichen Ausgang gilt es, einige Aspekte zu beachten.
Viele kennen eine solche Situation. In der sie beispielsweise im Tram oder auf der Strasse beobachten, wie einem Menschen Unrecht getan wird. Und sofort ist dieser Impuls da, der innerlich drängelt: «Los, der braucht Hilfe!»
Aber vielleicht ist es eine Gruppe, die sich unfair verhält, und man selbst ist allein. Oder man traut sich als Frau nicht, einem kräftigen Mann gegenüberzutreten. Oder man weiss einfach nicht, wie man «richtig» reagieren soll, ist hin- und hergerissen zwischen: «Soll ich eingreifen? Oder soll ich nicht?»
Zivilcourage in unserer Gesellschaft
Zivilcourage kann als die Bereitschaft und Fähigkeit definiert werden, in gefährlichen oder ethisch problematischen Situationen aktiv einzugreifen. Ziel dabei ist es, anderen Menschen zu helfen oder Unrecht zu verhindern. Diese Tugend spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung einer gerechten und sicheren Gesellschaft. Allerdings ist das mitunter auch eine Herausforderung.
«Zivilcouragiert und beherzt handeln, wenn andere Hilfe brauchen – was sich so einfach anhört, ist in der Realität oft schwierig. Dabei liegt es häufig nicht daran, dass Menschen nicht helfen wollen: Sie wissen nur nicht, was sie in bestimmten Situationen konkret tun sollen – und dürfen.» So fasst die «Schweizerische Kriminalprävention (SKP)» die Krux zusammen.
Dazu gesellen sich andere Aspekte, die das Eingreifen erschweren. Wie etwa die Angst, selbst zum Opfer zu werden. Weiterhin trauen sich manche nicht sich einzumischen, aus Sorge sich dabei unangenehm zu exponieren. Und damit möglicherweise zu blamieren.
Mitunter tritt bei solchen Vorfällen auch der sogenannte Zuschauereffekt ein, der mit der Verantwortungsdiffusion korreliert. Bedeutet: Menschen haben eine grössere Hemmschwelle sich unterstützend einzumischen, je mehr andere Personen gleichzeitig Zeuge von dem Ereignis sind.
Ähnlich verhält es sich mit der pluralistischen Ignoranz. In der Sozialpsychologie ist damit eine Situation gemeint, in der die meisten Anwesenden eine Norm insgeheim ablehnen. Fälschlicherweise herrscht aber der Konsens, dass die Mehrheit diese Norm akzeptiert. Die (mögliche fatale) Folge: Niemand schreitet ein, niemand hilft.
Wer zivilcouragiert einschreiten möchte, der sollte sich laut «SKP» sechs Verhaltenstipps zu Herzen nehmen.
1. Gefahrlos handeln
Damit ist gemeint, möglichst so einzugreifen, dass man selbst nicht zum nächsten Opfer wird.
2. Mithilfe fordern
Umstehende gezielt ansprechen hilft, dass sie sich auch angesprochen fühlen – und aktiv werden. Bei Unsicherheit ob der Situation ist es auch möglich zu fragen: «Wie schätzen Sie denn das Ganze ein?»
3. Genau beobachten
Aufmerksames Beobachten ist nicht nur nützlich für die Einschätzung der Lage. Es kann auch unglaublich wertvoll für die spätere Rekonstruktion des Tathergangs oder eine Zeugenaussage sein.
4. Hilfe holen
Ganz wichtig: Sie müssen sich nicht selbst aufopferungsvoll dazwischen werfen, wenn sich eine Gruppe prügelt. Aber die Polizei sollten Sie unter 117 anrufen.
5. Opfer versorgen
Wenn Sie dem Opfer im Moment der Gewalttat nicht aktiv helfen können, bleiben Sie, wenn möglich, trotzdem in der Nähe. So können Sie ihm vielleicht zur Seite stehen, wenn die Täter auf und davon sind.
6. Zeugenaussage tätigen
Zeugenaussagen sind für die Polizei für die Aufklärung unglaublich wertvoll. Schildern Sie Ihre Beobachtungen. Vielleicht ist ein Detail darunter, das die Beamten letztlich zu den Tätern führt.
In jedem Fall ist sensibles und verantwortungsvolles Handeln gefragt, um anderen Menschen zu helfen und Unrecht zu verhindern. Durch entsprechende Weiterbildungen lässt sich Zivilcourage auch trainieren.