Der Himmel über Venedig hätte nicht besser zur Stimmung vieler Filme beim Festival passen können: dunkel, wolkenverhangen und düster.
Die Schauspielerinnen Tilda Swinton (l.) und Dakota Johnson (r.) kommen am Lido Beach in Venedig an, um «Suspiria» beim 75. Internationalen Filmfestival zu präsentieren.
Die Schauspielerinnen Tilda Swinton (l.) und Dakota Johnson (r.) kommen am Lido Beach in Venedig an, um «Suspiria» beim 75. Internationalen Filmfestival zu präsentieren. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Das diesjährige Filmfestival Venedig bot viel düsteren Stoff und ein wenig Komödie.
  • «Suspiria» mit Tilda Swinton und Dakota Johnson hat gute Chancen auf den Goldenen Löwen.
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Das Filmfestival Venedig hat einiges zu bieten: es ging um RAF-Terror in Westdeutschland, gefährliche Rituale von Hexen, die Niederschlagung friedlicher Demonstranten und Rassismus in den US-Südstaaten. So anstrengend diese Werke teilweise waren, es könnte auch ein Anwärter auf den Goldenen Löwen darunter sein.

Empörte Buh-Rufe und frenetischer Beifall – für «Suspiria» gab es in Venedig beides. Tatsächlich polarisierte der Wettbewerbsbeitrag von Luca Guadagnino enorm. Der Italiener, der zuletzt für sein Oscar nominiertes Drama «Call Me By Your Name» gefeiert wurde, legte ein Remake von Dario Argentos Horrorfilm «In den Krallen des Bösen» vor. Mit Dakota Johnson und Tilda Swinton geht er ins West-Berlin der 70er Jahre, wo eine junge Amerikanerin an einer Tanzschule angenommen wird.

Die Tage der Landshut-Flugzeug-Entführung und Anschläge durch die RAF bilden nur den Hintergrund für eine Geschichte voller Wahn und Magie, Hexen und Heldinnen, Realität und Imagination. Es wurde eine Nerven aufreibende und herausfordernde Erfahrung für das Kinopublikum, das zugleich auch einige der eindringlichen Szenen des Kinoexperiments so schnell wohl nicht vergessen wird – beste Voraussetzungen für den Hauptpreis des Festivals.

Irritirende Besetzung

Nicht nur der Filminhalt irritierte, auch die Besetzung löste Rätselraten aus. Denn in dem Werk taucht nur ein einziger Mann auf: Der Psychoanalytiker Dr. Klemperer wurde laut Produktionsangaben von Lutz Ebersdorf gespielt. Für den 82-Jährigen wäre es die erste Rolle gewesen. Aber gibt es Ebersdorf wirklich? Dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit Tilda Swinton hat, die im Film eine der Tanzlehrerinnen verkörpert, fiel jedenfalls vielen Festivalbesuchern auf. Nach Venedig kam er auch nicht, er wolle lieber eine private Person bleiben, hiess es. Und Swinton verwies auf Nachfrage lediglich auf die offizielle Besetzungsliste. Möglicherweise gelang Guadagnino mit dieser Rolle also ein cleveres Verwirrspiel, das die Themen seines Films auf originelle Weise aufgreift.

Viel klarer war der Ansatz des Briten Mike Leigh: Mit «Perterloo» schaut er zurück in die Vergangenheit, ins Jahr 1819. Bei Manchester treffen sich 60'000 Menschen zu einem friedlichen Protest für mehr Mitbestimmung. Die Eliten des Landes fürchten den Verlust ihrer Macht und lassen die Demonstration zusammenschlagen; beim «Peterloo-Massaker» sterben zahlreiche Menschen. «Unser Film zeigt den Moment, als moderne Demokratie geboren wurde», sagte Leigh. Er spiegele aber auch vieles von dem wider, mit dem wir derzeit konfrontiert seien: Fragen zur Demokratie und Armut, der Politik in den USA und Grossbritannien.

«What You Gonna Do When the World's on Fire?»

Ähnliches thematisierte der Italiener Roberto Minervini in seiner Dokumentation «What You Gonna Do When the World's on Fire?». Darin beobachtet er mehrere Afro-Amerikaner in den US-Südstaaten, deren Alltag von Rassismus und Gewalt geprägt ist. Was kann man tun, wenn der Staat und das Justizsystem einen immer wieder ihre Missachtung spüren lassen? Es gelingt Minervini so, die Menschen hinter den Nachrichten-Schlagzeilen von Polizeiwillkür zu zeigen.

Beim Filmfestival gab es heute Sonntag auch wieder etwas zu lachen: Joaquin Phoenix («Walk the Line») und John C. Reilly verkörpern «The Sisters Brothers». Zwei Brüder, die als Auftragskiller durch das Oregon der 1850er Jahre jagen. Dabei stehen irgendwann ein Goldsucher und dessen Partner (Riz Ahmed und Jake Gyllenhaal) auf ihrer Liste, doch läuft kaum etwas wie geplant. Es ist der erste Film, den der Franzose Jacques Audiard («Ein Prophet») auf Englisch drehte - und begeisterten Applaus bekam. Immerhin ist sein Western voller Situationskomik und bewegender Momente und wird vor allem von Phoenix und Reilly herausragend gespielt. Dazu passte bestens, dass nach einer ersten Vorstellung des Films auch der venezianische Himmel nach all den Unwettern endlich wieder aufklarte.

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