Bei den Sprachreisen besteht ein Nachholbedarf
Sprachreiseanbieter mussten sich wegen Corona neu erfinden. In der Krise gab es aber auch Lichtblicke, sagt Experte Claudio Cesarano.
Das Wichtigste in Kürze
- Weil Sprachreisen nicht stattfinden konnten, boomten Online-Kurse.
- Nicht alle Altersgruppen zeigten dabei die gleiche Motivation.
- Claudio Cesarano von Linguista gibt im Interview Auskunft zur Zukunft von Sprachreisen.
Wie die gesamte Reisebranche leidet auch der Schweizer Sprachreiseanbieter Linguista unter der Coronakrise und den strikten Reisebeschränkungen. Wir haben bei CEO Claudio Cesarano nachgefragt, wie es um die Zukunft von Sprachreisen steht.
Wie fällt ihre Bilanz fürs Jahr 2020 aus?
Claudio Cesarano: 2020 war ein absolutes Krisenjahr mit noch nie da gewesenen Herausforderungen an alle Unternehmen. Das vergangene Jahr war von Enttäuschungen, Frustration aber auch von Hoffnung auf eine Wiedereröffnung der Welt geprägt.
Geplante Sprachreisen konnten mehrheitlich nicht durchgeführt werden und der Umsatz brach massiv ein. Gab es auch Lichtblicke?
Claudio Cesarano: Sprachkurse waren auch letztes Jahr gefragt, zumindest ein Teil des Geschäfts hat sich erfreulicherweise ins Internet verlagert. Wir haben seit Beginn der Coronakrise das Online-Kursangebot verzehnfacht.
Die Zahl an Online-Sprachschülern ist im Vergleich zu 2019 um 400 Prozent gestiegen.
Wie erklären Sie sich diesen Boom?
Claudio Cesarano: Wir haben gemeinsam mit unseren Partnerschulen schnell reagiert und können heute ein vielfältigeres und umfangreicheres Online-Angebot bieten.
Ein wichtiges Plus ist sicher auch die zeitliche und örtliche Flexibilität. Wir bieten Einzel- oder Gruppenkurse 24 Stunden am Tag an und der Einstieg ist jederzeit möglich.
Ausgebaut haben wir beispielsweise den Bereich der Business-Kurse. Dazu gehören Englisch-Fachsprache-Angebote wie «Legal English» oder «Work & Career». Vermehrt nachgefragt wurden zudem auch unsere Russisch- und Chinesisch-Kurse.
Sprechen alle Altersgruppen auf Online-Kurse an?
Claudio Cesarano: Grundsätzlich schätzen alle Altersstufen die Flexibilität des Online-Lernens. Gemäss unseren Erfahrungen zeigten aber insbesondere junge Erwachsene schnell einmal Motivationsschwierigkeiten.
Junge Erwachsene mussten insbesondere während der Lockdowns viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen. Sie haben ein enormes Manko an Austausch und ihnen fehlt das Zusammensein mit Freunden.
Besteht bei Jugendlichen also Nachholbedarf?
Claudio Cesarano: Ich denke schon. Bildungsreisen sind sicherlich eine sehr gute Möglichkeit, um eine eventuelle Bildungslücke oder eine soziale Lücke zu schliessen.
Interessanterweise stellen wir sogar fest, dass sich jüngere Kunden nicht nur für Sprachreisen interessieren. Sie möchten vermehrt ein Zwischenjahr im Ausland einlegen.
Wir sehen hier einerseits den Nachholbedarf. Leider hören wir aber auch von Interessenten, dass sie derzeit keine Lehrstelle finden und deshalb auf ein Sprachenjahr ausweichen möchten.
Wird Corona das Sprachreisen-Geschäfts nachhaltig schädigen?
Claudio Cesarano: Sprachreisen werden immer gefragt sein. Die Art des Reisens wird sich ändern, da man nachhaltiger und länger reisen will. Das heisst mit einem zusätzlichen Erlebnis wie Arbeiten und Reisen oder einem ganzen Studium im Ausland. Und die Teenager werden durch das Homeschooling den erwähnten Nachholbedarf haben, rauszukommen.
Wir sind zudem der Meinung, dass Online-Sprachkurse durch Corona insbesondere im Businessbereich salonfähiger geworden sind. Das sehen wir aber nicht nur als Gefahr, sondern auch als Chance.