Das Rennen um die längste Höhle der Schweiz
Das Hölloch im Muotathl gilt als die längste Höhle der Schweiz. Doch was viele nicht wissen: Der erste Platz ist heiss umstritten.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Hölloch im Kanton Schwyz gilt als die längste Höhle der Schweiz – bis anhin.
- Ein Verbindungskanal zweier Höhlen könnte ein Berner Höhlensystem zur Nummer eins machen.
- Höhlenforschung ist herausfordernd, jedes Jahr werden nur wenige Kilometer erschlossen.
Die Schweiz ist ein Höhlenland. Hier gibt es 9000 erforschte Höhlen. Über Hunderte von Kilometern erstreckt sich im Verborgenen eine Welt voller dunkler Überraschungen und bizarrer Felsformationen.
Was sich im Dunkeln der Höhlen abspielt, ist der Allgemeinheit wenig bekannt. Deshalb mag es überraschen, dass ein heisser Kampf um den ersten Rang auf der Liste der längsten Höhlen der Schweiz herrscht. Ein Einblick in die überraschend spannende Welt der Höhlenforschung.
Hölloch, Kanton Schwyz
Das Hölloch im Muotatal ist mit rund 212 Kilometern die längste Höhle der Schweiz. Sie kann mit den ganz grossen Höhlen der Welt mithalten. Im weltweiten Vergleich liegt sie auf Platz acht.
Das Hölloch hält seit der Entdeckung einer neuen Höhlenverbindung im Jahr 2020 sogar einen Weltrekord. Keine Höhle ist so tief und gleichzeitig so lang. Es liegen 1033 Meter Differenz zwischen dem höchsten und tiefsten Punkt.
Das Hölloch zieht Besucher aus aller Welt an, denn es bietet ein Naturspektakel sondergleichen. Ob grosse Hallen oder beinahe klaustrophobische Durchschlüpfe, Tropfsteine, die über Tausende von Jahren geschaffen wurden, oder mystisch wirkende unterirdische Seen: Die Vielschichtigkeit der Höhle lässt einen verblüfft zurück.
Jährlich stossen Höhlenforscher ein paar Hundert Meter weiter in das weit verzweigte Höhlensystem vor. Und bald könnten auf einen Schlag weitere 38 Höhlenkilometer hinzukommen.
Forscher suchen nach einer Verbindung zwischen dem Hölloch und dem Silberen-System. Luft- und Wassermessungen haben ergeben, dass diese beiden Höhlensysteme miteinander verbunden sein müssen. Noch liegt dieser Verbindungskanal im Dunkeln – wortwörtlich.
Es zeigt aber, dass das Hölloch auch nach jahrzehntelanger Forschung Geheimnisse birgt. Und diese 38 Kilometer des Silberen-Systems könnten in Zukunft noch wichtig werden, wenn es um den Kampf der Titanen unter den längsten Höhlen der Schweiz geht. Doch dazu später mehr.
Wer das Hölloch besuchen möchte, kann kurze Touren buchen oder sich auf zweitägige geführte Expeditionen begeben. Wichtig: Auch wenn es Hochsommer ist, sollte man sich warm anziehen. Im Innern herrscht eine konstante Temperatur von sechs Grad Celsius bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit.
Siebenhengste-Hohgant-Höhle, Kanton Bern
Die Siebenhengste-Hohgant-Höhle liegt aktuell auf Platz zwei der längsten Höhlen der Schweiz, doch sie macht dem Hölloch den ersten Platz streitig. Sie liegt im Norden des Thunersees und ist 164 Kilometer lang und bis zu 1340 Meter tief.
In ihrer Umgebung gibt es weitere Höhlensysteme, unter anderem der Bärenschacht. Davon sind 84 Kilometer vermessen. Höhlenforscher sind überzeugt, dass es einen Verbindungskanal zum Siebenhengste-Hohgant-Höhlensystem gibt.
Wird dieser gefunden, würde das Höhlensystem auf 248 Kilometer anwachsen – und somit das Hölloch vom Thron stossen.
Bärenschacht, Kanton Bern
Im Moment rangiert der Bärenschacht selbst auf Rang drei der längsten Höhlen der Schweiz. Wird der Verbindungskanal zur Siebenhengste-Hohgant-Höhle gefunden, würde er im Verbund mit derselben auf Rang eins vorrücken.
Anhand von Wasserfärbungen konnte bewiesen werden, dass Wasser zwischen dem Bärenschacht und der Siebenhengste-Hohgant-Höhle zirkuliert. Aber es braucht eine Begehung und Vermessung, bevor die Verbindung offiziell gültig ist, sagen die Höhlenforscher in der Sendung Schweiz Aktuell auf SRF.
Noch ist es aber nicht so weit. Der Bärenschacht birgt noch viele unerforschte Kilometer, die wohl noch viele Generationen beschäftigen werden.
Übrigens, den Namen hat der Bärenschacht, weil beim Einstieg Bärenskelette gefunden wurden, denen das Höhlensystem zum Verhängnis wurde. Aber nicht nur für Tiere, auch für Menschen kann die Höhle gefährlich werden. Deshalb sollten nur Höhlenexperten die Expedition ins Innere wagen.
Die Erforschung der Höhle braucht Mut. Es ist ein längeres Abseilen Hunderte Meter in die Tiefe erforderlich. Die Gänge sind feucht und eng. Manche der Forscher müssen durch klaustrophobisch enge Kanäle in die Dunkelheit tauchen. Eine Höhle für echte Abenteurer.
Silberensystem, Kanton Schwyz
Das Silberensystem liegt in der Gemeinde Muotathal in unmittelbarer Nähe zum Hölloch. Ein Verbindungskanal zwischen den beiden Systemen wird vermutet.
Und am Silberensystem hängt alles: Das Höhlensystem misst 39 Kilometer. Wird die Verbindung zwischen der Siebenhengste-Hohgant-Höhle und dem Bärenschacht gefunden, würde das Berner Höhlensystem 248 Kilometer umfassen und somit das 212 Kilometer lange Hölloch auf Rang eins der längsten Höhlen der Schweiz ablösen.
Wird hingegen der Verbindungskanal zwischen dem Silberensystem und dem Hölloch gefunden, wächst das Schwyzer-Höhlensystem auf 251 Kilometer an – und würde somit Titelverteidiger bleiben.
Der Kampf der Giganten hält also an. Wer das Rennen um den Titel macht, ist offen. Die Höhlenforscher begeben sich jedes Mal auf eine Reise ins Ungewisse. Ungefährlich ist diese Arbeit nicht. Meter für Meter dringen sie tiefer in die Dunkelheit ein, tauchen durch Schächte, ohne zu wissen, was sie am anderen Ende erwartet.
Vielleicht werden in Zukunft noch komplett neue Höhlensysteme erschlossen, welche die Reihenfolge der längsten Höhlen der Schweiz nochmals aufmischt. Höhlenforschung ist alles andere als langweilig.