Modelagent im Visier: «Alle wussten, dass er junge Männer belästigt»
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zürcher Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Inhaber einer Zürcher Modelagentur.
- Ein männliches Model reichte Strafanzeige wegen sexueller Belästigung und Nötigung ein.
- Auf Nau.ch sprechen zwei Betroffene über ihre Erfahrungen mit dem Model-Scout.
Der Inhaber einer Zürcher Modelagentur, J.W.*, soll ein männliches Model belästigt haben.
Dieser reichte Strafanzeige gegen ihn ein. Die Vorwürfe lauten auf sexuelle Nötigung und sexuelle Belästigung.
Und offenbar handelt es sich dabei um kein Einzelschicksal: Der Model-Scout soll über Jahre hinweg Männer-Models belästigt haben.
Darunter auch Kenny Leemann (24), der Ex von Bachelorette Andrina Santoro (27).
Der Model-Manager habe ihm gesagt: «Wenn du dann Aufträge hast, musst du auch mit einem Typen ins Bett.»
«Er verband mir die Augen»
Ein ähnliches Erlebnis mit dem Model-Scout hatte Dario* (22). Gegenüber Nau.ch erzählt der Student: «Als ich 18 geworden bin, hat mich J.W. über das Agentur-Mail angeschrieben. Er forderte dann Unterwäsche-Fotos von mir. Ich war naiv und dachte mir, so funktioniert das Business eben.»
Dann drängte J.W. auf ein Treffen. Schliesslich willigte Dario ein und traf sich mit dem Fotografen in einem Studio in Zürich.
«Er forderte mich dann auf, mich bis auf die Unterwäsche auszuziehen», so der damals 18-Jährige. «Dann verband er mir die Augen, weil ich zu verspannt sei und drückte meinen Körper in die richtigen Posen.»
Schliesslich kam er dem Teenager immer näher. «Er sass nur wenige Zentimeter vor mir und versuchte, mir die Unterwäsche runterzuziehen und mich zu küssen. Ich habe mich gewehrt.»
Da sei der Model-Scout wütend geworden: «Tu nicht so dumm!», habe er ihn angefahren.
Nach dem Shooting warf J.W. ihn aus dem Studio. Die Bilder hat der heute 22-Jährige bis heute nicht gesehen. «Er behauptet, seine Speicherkarte sei verloren gegangen», so Dario. «Aber das glaube ich nicht. Die Bilder schwirren wahrscheinlich noch irgendwo rum.»
Wusste Agentur von den Vorwürfen?
Er ist sich sicher: Die Zürcher Agentur wusste von den Belästigungsvorwürfen gegen den Inhaber.
Nun wollen er und einige andere eine Kollektiv-Klage gegen den Agentur-Inhaber einreichen. Auf Instagram teilen sie ihre Geschichten.
Dumm nur: Da der Scout viele seiner Opfer auf Instagram anschreibt und sie dann blockiert, sind auch die Beweise weg.
Das Kollektiv fordert deshalb die Social-Media-Plattform auf, die verschwundenen Nachrichten wiederherzustellen.
«Die Situation war mir sehr unangenehm»
Auch Manuel* (24) wurde vom Agentur-Inhaber belästigt. Er wollte schon immer im Model-Business arbeiten und meldete sich 2017 bei der Agentur als Praktikant. «J.W. bestand dann darauf, sich mit mir in Zürich treffen», so der Berner.
Dort angekommen, machte ihm der Mann Komplimente. «Er meinte ich könne es ja auch mal selber mit dem Modeln probieren.» Manuel war nicht abgeneigt und willigte ein, sich nochmal mit dem Scout zu treffen. Diesmal angeblich für ein Test-Shooting.
Doch schon bei der Ankunft am Bahnhof wurde ihm klar, dass der Agent anderes im Sinn hatte: «Er wollte mich Freunden vorstellen und lud mich zu einer Home-Party ein. Völlig überrumpelt willigte ich ein.»
Dort angekommen hätten die beiden Alkohol konsumiert und der Agenturen-Inhaber habe angefangen, ihn zu berühren. «Die Situation war mir sehr unangenehm», erinnert sich der heute 24-Jährige.
Schliesslich sagte J.W. ihm: «Ich kann dir alles geben, was du willst, aber ich brauche eine Gegenleistung.» Da hatte Manuel genug.
«Niemand hat den Mund aufgemacht»
Genau wie Dario denkt auch er, dass J.W.s Umfeld von seinem Verhalten wusste: «Alle Party-Gäste haben geguckt, aber niemand hat den Mund aufgemacht.»
«Ich hatte schon mit mehreren Schweizer Modelagenturen zu tun, aber habe noch nie so eine Erfahrung gemacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass alle von der Agentur wussten, dass J.W. junge Männer belästigt.»
*Namen der Redaktion bekannt