Landwirtschaft Schuld an krassem Rückgang bei Schweizer Brutvögeln

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Ruswil,

Die Intensivierung der Landwirtschaft hat zur Folge, dass Vögel kein Futter mehr finden und verhungern. Im grenznahen Ausland geht es den Vögeln besser.

Eine Dorngrasmücke, fotografiert in der Nähe von Weimar (D).
Eine Dorngrasmücke, fotografiert in der Nähe von Weimar (D). - Wikipedia / Andreas Trepte

Das Wichtigste in Kürze

  • Die intensive Landwirtschaft schadet Schweizer Brutvögeln massiv.
  • Die Vogelwarte Sempach verzeichnet Rückgänge von 60 Prozent seit 1990.
  • Im grenznahen Ausland sind die Verhältnisse weitaus vogelfreundlicher.

Sie kennen die Dorngrasmücke nicht? Kein Wunder: Der unscheinbare Piepmatz kommt in der Schweiz kaum noch vor. Statt Hunderttausende von Exemplaren zählt die Vogelwarte Sempach noch rund 2000 Brutpaare. Schuld sei die Landwirtschaft: Diese vernichtet sowohl den Lebensraum (Dornenhecken) und das Futter (Insekten) der Dorngrasmücke. Ähnlich ergeht es vielen anderen Vogelarten.

Küken verhungern

Im Kulturland hat der Bestand von insektenfressenden Vogelarten seit 1990 um 60 Prozent abgenommen, schreibt der «Tagesanzeiger». Die Vogelwarte Sempach wird im November den Brutvogel-Atlas neu auflegen, der diese Entwicklung dokumentiert.

Weil Pestizide die Nahrung von Insektenfressern wie Braunkehlchen oder Wachteln vernichten, können die Vogeleltern ihre Küken nur mit Mühe füttern. Gerade bei diesen zwei Arten kommt dazu: Sie sind Bodenbrüter, deren Nester beim Mähen zerstört werden.

Ein lebendiges Wachtelküken begeistert Kinder an einer Ausstellung im Naturmuseum St. Gallen.
Ein lebendiges Wachtelküken begeistert Kinder an einer Ausstellung im Naturmuseum St. Gallen. - Keystone

Es ginge auch anders

Dass die Landwirtschaft in der Verantwortung steht, zeigt sich an zwei Vergleichen: Einerseits verzeichnet die Vogelwarte bei den Vögeln des Waldes sogar eine Zunahme. Andererseits gibt es bereits kurz nach der Schweizer Grenze bedeutend mehr Vogelarten und auch insgesamt mehr Vögel, dank einer schonenderen Landwirtschaft.

Eine französische Studie zeigte, dass der Pestizid-Einsatz um über 40 Prozent reduziert werden kann und in der Regel keine Ernteausfälle entstehen. «Man muss jetzt endlich handeln», sagt Matthias Kestenholz von der Vogelwarte Sempach. Der Dorngrasmücke stehe beim jetzigen Trend das Aussterben unmittelbar bevor.

Braunkehlchen Landwirtschaft
Das Braunkehlchen, ein insektenfressender Bodenbrüter, ist besonders betroffen durch die intensive Landwirtschaft. - dpa

Bauern von allen Seiten unter Druck

Die Schweizer Bauern geraten damit erneut unter Druck. Im Sommer wurde Kritik laut, dass sie vom Bund Unterstützung wegen Schäden durch den Hitzesommer fordern, aber sich meist gegen Massnahmen gegen Klimawandel sträuben. Am 23. September wird über zwei Agrar-Initiativen abgestimmt, wobei sowohl die Fair-Food-Initiative wie auch die Ernährungssouveränität viel Goodwill geniessen.

Gleichzeitig sind zwei Volksinitiativen in der Pipeline, die spezifisch den Pestizideinsatz ins Visier nehmen. Die Die Trinkwasser-Initiative verlangt, Landwirtschaftsbetrieben die Subventionen gestrichen werden, wenn sie Pestizide einsetzen. Und die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» fordert ein vollständiges Verbot von Pestiziden.

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