Die Tochter von Nobelpreisträgerin Alice Munro wurde von ihrem Stiefvater missbraucht. Der nächste Schock: Die Autorin soll davon gewusst haben.
Alice Munro
Literatur-Nobelpreisträgerin Alice Munro bei einem Interview 2013. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Alice Munro hat 2023 den Literaturnobelpreis erhalten.
  • Nach ihrem Tod berichtet ihre Tochter von Missbrauchserfahrungen.
  • Ihre Mutter soll von allem gewusst, aber nicht geholfen haben.
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Die kanadische Schriftstellerin Alice Munro ist posthum mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Ihre Tochter Andrea Robin Skinner hat kürzlich öffentlich gemacht, dass sie als Kind von Munros zweitem Ehemann missbraucht wurde. Noch schockierender ist der Vorwurf gegen Munro selbst: Sie soll von dem Missbrauch gewusst und geschwiegen haben, berichtet die «Welt».

Munros literarisches Werk umfasst etwa hundert Kurzgeschichten. In diesen Erzählungen stehen oft Menschen im Mittelpunkt, die leiden und sich ihrem Schicksal scheinbar nicht entziehen können. Die Protagonisten sind meist Frauen; ihre Antagonisten häufig Männer.

Alice Munro schrieb über Frauen, die sich gegen männliche Dominanz zur Wehr setzen mussten. Ein Kampf, den viele ihrer Charaktere verloren haben. Nun stellt sich heraus: Auch im echten Leben war Alice Munro eine dieser Frauen.

Schwere Anschuldigungen gegen Alice Munro

In einem Essay für den «Toronto Star» wirft Andrea Robin Skinner ihrer Mutter vor, ihr nicht geholfen zu haben, als sie es am meisten brauchte. Ihr Stiefvater Gerold Fremlin habe sie vergewaltigt, als sie erst neun Jahre alt war. Der Missbrauch wurde über Jahre hinweg fortgesetzt.

Skinner ist eine von drei Töchtern aus Munros erster Ehe mit Jim Munro. Sie offenbarte ihrer Mutter den Missbrauch erst viele Jahre später in einem Brief. Alice Munro trennte sich zwar zwischenzeitlich von Fremlin, kehrte aber zu ihm zurück. Die Erklärung wirkte auf Skinner mehr als fadenscheinig.

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Die kanadische Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro. (Archivbild) - Derek Shapman/MAN BOOKER PRIZE/EPA/dpa-infocom GmbH

«Sie sagte, man habe es ihr 'zu spät gesagt', sie liebe ihn zu sehr und es liege an unserer misogynen Kultur, dass ich von ihr erwarte, ihre eigenen Bedürfnisse zu verleugnen», zitiert Skinner ihre Mutter.

Der Missbrauch war laut Skinner ein offenes Geheimnis in der Familie. Erst im Alter von fast vierzig Jahren ging sie zur Polizei. Fremlin wurde schliesslich zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt – im selben Jahr erhielt Alice Munro den Nobelpreis für Literatur.

Skinner möchte nun sicherstellen: Ihre Geschichte soll Teil des Narrativs werden, das über ihre Mutter erzählt wird.

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