Winzige Raupen: Die lautstarken Territorialkämpfer
Die winzige Schmetterlingsraupe verteidigt ihr Revier genauso wie grosse Raubtier. Schmetterlingsraupen verteidigen ihr Revier mit Lautstärke und Vibration.

Eine winzige Schmetterlingsraupe verteidigt ihr Revier – die Spitze eines Birkenblatts – nicht weniger engagiert als grosse Raubtiere das tun. Das berichtete ein kanadisches Forschungsteam im «Journal of Experimental Biology». Die Raupe schlägt lautstark gegen das Blattwerk, kratzt und vibriert entrüstet, wie das Team im Fachmagazin erklärt.
Der nordamerikanische Nachtfalter Falcaria bilineata legt seine Eier auf Zweigen und Blättern von Birken ab. Schlüpfen die nur einen halben bis zwei Millimeter langen Raupen, krabbeln sie auf die Spitzen nahegelegener Blätter. In der Vergangenheit war beobachtet worden, dass die Minis dort regelmässig vibrieren – vermutet wurde, dass damit Rivalen verschreckt werden sollen.
Sehen können die Minis nämlich nicht sonderlich gut, wie erläutert wird. Forschende um Jayne Yack von der Carleton University in der kanadischen Hauptstadt Ottawa testeten nun im Labor, ob es sich dabei tatsächlich um Territorialverhalten handelt.
Raupenkampf: Keine Beissereien oder Schubsereien
Sie setzten 18 Mal jeweils eine weitere Raupe der Art in ein Revier und beobachteten, was passiert. Und das war eine ganze Menge: Der ursprüngliche Bewohner der Blattspitze machte Krach, indem er gegen das Blatt trommelte, zappelte, scharrte und mit einer Frequenz von 25 Bewegungen pro Minute vibrierte. Zu Beissereien oder Schubsereien kam es in all der Aufruhr nicht.
Meist mache das Getöse ausreichend Eindruck, berichten die Forschenden: Die tobenden Raupen behielten in rund 70 Prozent der Testläufe mit klarem Sieger – das waren 10 von 14 – ihr Revier. In vier Fällen war am Ende der berücksichtigten Zeit keine der beiden Raupen mehr auf der Blattspitze.
Und was, wenn der Neuzugang den Diskurs um die Blattspitze doch gewann? Sobald es zu körperlichem Kontakt kam, habe sich der ursprüngliche Bewohner oft auf eine waghalsige Flucht begeben und sei an einem Seidenfaden vom Blatt gesprungen, erläutern die Forschenden.
Revierverteidigung bei kleinsten Tieren
Niemals teilten zwei Raupen am Ende ein Territorium. Die winzige Nachtfalter-Raupe gehört demnach zu den kleinsten Tieren, bei denen jemals Revierverteidigung beobachtet wurde. Grosse Tiere können Reviere von hunderten Quadratkilometern Grösse haben – die mit allerlei Markierungen oder Gebrüll, aber auch ausufernder körperlicher Gewalt gegen Rivalen verteidigt werden.
Ähnliche Fallberichte zur Territorialverteidigung kleiner Insekten gibt es den Biologen um Yack zufolge vermutlich aus einem ganz bestimmten Grund bisher nicht: Das Geschehen wurde schlichtweg übersehen. Ob die Nachtfalter- Raupen mit ihrem Verhalten womöglich das Gangmuster typischer Fressfeinde wie Spinnen nachahmen, sollen weitere Analysen zeigen.