Donald Trump besiegt nur Frauen – spielt Geschlecht eine Rolle?
Gegen Joe Biden reichte es nicht, Hillary Clinton und Kamala Harris hat Donald Trump bezwungen. Zufall – oder haben Frauen immer noch geringere US-Wahlchancen?
Das Wichtigste in Kürze
- Donald Trump ist erneut zum Präsidenten der USA gewählt worden.
- Mit Kamala Harris schlägt er bereits die zweite Frau im Schlussspurt.
- Nur ein Mann konnte ihn bezwingen. Ist das Zufall? Eine Expertin ordnet ein.
Seit gestern, Mittwoch, ist die US-Wahl entschieden. Überraschend deutlich hat der republikanische Ex-Präsident Donald Trump Demokratin Kamala Harris bezwungen.
Damit wird die wichtigste Nation des Westens zum 47. Mal von einem Mann regiert. Und die Tatsache bleibt – noch nie war eine Frau Präsidentin der USA.
Trump besiegt mit Harris bereits die zweite Kandidatin der Demokraten im Wahl-Schlussspurt. 2016 setzte er sich gegen Ex-First-Lady Hillary Clinton durch. Bezwingen konnte ihn mit Joe Biden 2020 bisher nur ein Mann.
Zufall? Oder ist es bei der US-Präsidentschaftswahl noch immer ein Nachteil, eine Frau zu sein?
Geschlecht ist «Punkt, den wir nicht ignorieren können»
«Ich denke schon, dass auch das Geschlecht von Clinton und Harris eine Rolle spielt», sagt US-Politik-Expertin Caroline Leicht zu Nau.ch.
«Natürlich wäre es schwierig zu sagen, dass das als einziger Punkt ausschlaggebend für diese Ergebnisse war. Aber es ist doch ein Punkt, den wir nicht ignorieren können.»
Leicht verweist auf Forschungsergebnisse der letzten Jahre, die zeigen: Viele Wählerinnen und Wähler denken negativer über Kandidatinnen als über Kandidaten. Zudem verbinden sie nach wie vor stereotypisch maskuline Charakterzüge mit ihrem Bild eines idealen Präsidenten.
«In den USA haben wir das besonders stark beobachtet.»
Medien hatten oft andere Standards für Kamala Harris als Donald Trump
Die Berichterstattung hat auch eine Rolle gespielt, ist Leicht überzeugt. Für Kamala Harris habe es oft andere Standards gegeben als für Donald Trump.
«Es gab immer wieder Fragen über ihre Qualifikation und ihre Chancen, spezifisch als Frau und als Schwarze. Natürlich ist es wichtig, über diese Fragen zu berichten – aber es sollte nicht die Berichterstattung dominieren.»
«Wird immer wieder infrage gestellt, ob eine Frau Chancen hat, dann bleibt das in den Köpfen der Menschen hängen.» Und das wiederum wirke sich stark auf das Wahlverhalten aus.
«Kann eine Frau denn Präsidentin sein?»
Hillary Clinton sprach 2016 vom US-Präsidentenamt als die «höchste Glasdecke», die durchbrochen werden müsse. Die Glasdecke ist eine feministische Metapher, die besonders im englischen Sprachraum geläufig ist.
Sie beschreibt kulturelle Hindernisse, die Frauen im Weg stehen, zum Beispiel Vorurteile männlicher Führungskräfte. Oder in diesem Fall eben auch die Vorurteile der Wählerschaft.
Clinton erreichte 2016 die meisten Wählerstimmen, verlor aber im sogenannten Electoral College gegen Donald Trump. «Damit hat sie schon einige Risse in diese Glasdecke gesetzt. Aber eben anscheinend nicht genug», sagt Leicht.
Denn: Auch nun, acht Jahre später, ist die nächste demokratische Präsidentschaftskandidatin mit Vorurteilen konfrontiert worden.
Leicht erklärt: «Viele Wählerinnen und Wähler haben Kamala Harris’ Eignung aufgrund ihres Geschlechts infrage gestellt.» Das konnte sowohl in Umfragen als auch auf Social Media beobachtet werden.
«Das ging von grundsätzlichen Fragen – etwa: ‹Kann eine Frau denn Präsidentin sein?› – bis hin zu sexistischen Angriffen. Es wurde beispielsweise in den Raum gestellt, dass Harris als Frau zu emotional sei.»
USA «wohl noch nicht bereit» für eine Frau im Weissen Haus
2016 scheiterte Hillary Clinton an Donald Trump, 2020 bezwang Joe Biden ihn und 2024 besiegt Trump Kamala Harris.
Schaut man sich all diese Ergebnisse an, dann wird laut der USA-Expertin deutlich: «Viele Wählerinnen und Wähler in den USA sind wohl noch nicht bereit für eine Frau im Weissen Haus.»
Es brauche also ein Umdenken in den USA. «Aber das kann nicht von heute auf morgen passieren.»
Ein Wermutstropfen für Frauen: «Kandidatinnen wie Hillary Clinton und Kamala Harris tragen schon einiges zu diesem Umdenken bei», sagt Leicht. Mit ihren Kandidaturen sei es normalisiert worden, dass Frauen in den USA sich um das höchste politische Amt bewerben.
«Harris hat zudem in ihrer Rolle als Vizepräsidentin viel zu einem Umdenken in der US-Politik beigetragen: Eine Frau hatte nun vier Jahre lang das zweithöchste Amt inne, das ist also auch normaler geworden.»