Gleichberechtigung: New Yorker Philharmoniker wollen Hosen tragen
Das Wichtigste in Kürze
- Für die New Yorker Philharmoniker gilt ein strenger Dresscode.
- Demnach müssen Frauen während Konzerten Kleider oder Röcke tragen.
- Sie fordern nun, dass im Orchester gleiche Kleiderordnung für alle gilt.
Julie Ann Giacobassi spielte mit ihrem Englischhorn gerade im Ensemble der San Francisco Symphony die zweite Sinfonie von Gustav Mahler, als sich eine der Tasten ihres Instruments in den Falten ihres Rocks verfing. «Ich dachte: «Oh nein, das war es jetzt»», sagte die Musikerin der «New York Times». Giacobassi bekam die Sinfonie zu Ende gespielt und ging nach dem Konzert einen Frack kaufen, wie ihn die männlichen Musiker in ihrem Orchester trugen. Damals in den 80er Jahren war das ungewöhnlich, heute ist es fest in der Kleiderordnung ihres Orchesters in San Francisco verankert: Frauen dürfen schwarze Kleider, lange Röcke, Hosenanzüge oder auch Fräcke tragen.
Ganz anders sieht es bei einem ebenso renommierten Orchester an der Ostküste der USA aus: Die 1842 gegründeten New Yorker Philharmoniker, die schon von Dirigenten-Stars wie Gustav Mahler, Arturo Toscanini, Leonard Bernstein, Pierre Boulez, Zubin Mehta, Kurt Masur und Lorin Maazel geleitet wurden, sind das letzte der rund 20 grossen Orchester in den USA, wo die Musikerinnen bei festlichen Konzerten keine Hosen tragen dürfen. Nur bei Konzerten tagsüber, in Parks oder für junge Zuschauer werden Ausnahmen zugelassen. «Die Frauen unter den Philharmonikern können alles spielen», titelte die «New York Times» jüngst. «Nur nicht in Hosen.»
Gleichberechtigung in der Kleiderordnung
Dagegen formiert sich nun Widerstand. Das Orchester, das in der David Geffen Hall im Lincoln Center an der Upper West Side in Manhattan beheimatet ist, besteht aus 50 Musikern und 44 Musikerinnen. Chefdirigent wird ab der kommenden Saison der Niederländer Jaap van Zweden. Präsidentin ist seit dem vergangenen Jahr Deborah Borda, die zuvor seit 2000 die Philharmonie in Los Angeles geleitet hatte. Auch dort sind den Musikerinnen offiziell erst seit dem vergangenen Jahr Hosenanzüge oder schicke Hosen für Konzerte erlaubt. Kurz nach Bordas Amtsantritt in New York gingen dann einige Musikerinnen auf sie zu - mit dem Wunsch nach Gleichberechtigung in der Kleiderordnung.
«Wir würden das gerne verändert sehen, und bald», sagt die 31-jährige Hornspielerin Leelanee Sterrett. «Und nicht nur dahingehend, dass Hosen erlaubt werden, sondern auch eine grössere Aussage dazu, was es bedeutet, gut angezogen zu sein.» Denn einerseits geht es um Gleichberechtigung, um Emanzipation und auch darum, dass es mit vielen Instrumenten schlicht hinderlich ist, in Rock oder Kleid zu spielen. Aber andererseits geht es auch um Modernität: Was bedeutet es heutzutage eigentlich, schick angezogen zu sein, und welches Image will ein Orchester von sich verbreiten?
Eine Frage der Repräsentation
Die Präsidentin der New Yorker Philharmoniker zeigt sich in Sachen Kleiderordnung zumindest offen. Bislang sei es ein «sehr guter Dialog» gewesen, sagt Borda. Aber es sei nicht einfach, einen Kompromiss zu finden, denn der Geschmack der reichen Stammgäste und Spender sei eher konservativ. «Viele Orchester haben sich an vielen verschiedenen Arten von schicker Kleidung für Männer und Frauen versucht. Das war nicht immer erfolgreich.»
Dass die Hose als Option für alle Standard wird, darauf hofft Horn-Musikerin Sterrett. Festlich solle es bleiben, um ein «erhabenes Erlebnis» für alle zu schaffen. «Wie kann das, was wir anhaben, wie wir aussehen, die Werte des Orchesters repräsentieren?», sagt die Musikerin der New Yorker Philharmoniker. «Ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendjemand gesagt hat: «Nein, wir sollten uns nicht verändern.»»