Leere Villen, grübelndes Land: Was vom Fall Epstein bleibt

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USA,

Der Tod von Jeffrey Epstein vor einer Woche in New York lässt ein verwirrtes Land zurück. Mutmassliche Opfer hoffen weiter auf Gerechtigkeit. Von der Frau, die seinen Sexhandelsring ermöglicht haben soll, fehlt jede Spur.

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Jeffrey Epstein (Archiv). - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • «JE».

Diese beiden unscheinbaren Buchstaben hängen noch immer neben einer übergrossen Eingangstür. Als wären sie nötig, um irgendjemandem in der noblen Upper East Side in Manhattan klar zu machen, wer hier gewohnt hat.

Das vierstöckige Anwesen gehörte dem des vielfachen Missbrauchs verdächtigten Jeffrey Epstein und hat in der Nachbarschaft traurige Berühmtheit erlangt. Immer wieder halten Passanten inne und schauen mit ernster Miene an der Fassade hoch, hinter der so viel Unrecht geschehen sein soll.

Der schwerreiche Finanzier Epstein wird nicht zurückkehren an diesen Ort am Central Park. Er ist tot, allem Anschein nach beging er im Gefängnis Suizid. In der Anklageschrift heisst es, der Unternehmer habe «zahlreiche minderjährige Opfer in seiner New Yorker Residenz missbraucht, nachdem er veranlasst hatte, dass diese Opfer für bezahlte sexuelle Handlungen mit ihm angeworben wurden». Einige Opfer sollen nicht älter als 14 Jahre alt gewesen sein.

Überwachungskameras und verspiegelte Fenster sollten Epsteins Leben abschotten. Beim Druck auf die Klingel flackert ein Lämpchen, doch drinnen regt sich nichts. Anfang Juli war Epstein auf dem Weg hier her, als er auf einem Flughafen in New Jersey verhaftet wurde. Neue Ermittlungen brachten ihn ins Gefängnis, in dem er am Wochenende starb. Sein Tod lässt ein verwirrtes Land zurück, das nicht zu wissen scheint, wie es mit dem dubiosen Fall um den schillernden Multi-Millionär umgehen soll.

Denn der Ex-Investmentbanker war nicht irgendwer. Er war den Mächtigen nahe und besass mindestens eine halbe Milliarde Dollar. Er flog mit seinem Jet umher, nach Florida in seine Villa in Palm Beach oder auf seine private Karibikinsel Little St. James. Seine Boeing 727 bekam den Spitznamen «Lolita Express», Little St. James wird oft «Insel der Pädophilen» genannt.

Epstein wurde zum Symbol einer wohlhabenden Elite, die mit allem durchkommt. Schon 2008 stand er in Florida vor Gericht. Doch obwohl damals 24 minderjährige Mädchen Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben, kam Epstein durch einen Deal mit der Staatsanwaltschaft mit einer Haftstrafe davon, die viele für einen Skandal hielten. Nach 13 Monaten, in denen er tagsüber ins Büro durfte, war er wieder frei.

Auch danach suchte er weiter das Rampenlicht. Die prominentesten Namen unter seinen berühmten - ehemaligen - Freunden sind Donald Trump, Bill Clinton und Prince Andrew. Und nach den Schlagzeilen der letzten Wochen über eine erneute Anklage, über Sex-Parties mit Minderjährigen und einen Prostitutionsring begannen sich viele zu fragen, ob Epstein nicht nur die Spitze eines Eisbergs ist.

Talkshow-Moderator Trevor Noah drückte es so aus: «Ich wollte, dass Jeffrey Epstein am Leben bleibt. Aus zwei Gründen. Erstens: Seine Opfer hätten ihre Gerichtsverhandlung bekommen. Zweitens: Ich wollte, dass er all seine berühmten pädophilen Freunde verpetzt.» Dazu wird es nicht mehr kommen, doch Ermittlungen laufen weiter. Sie konzentrieren sich dem Anschein nach vor allem auf eine langjährige Freundin und Partnerin von Epstein: Ghislaine Maxwell.

Die Britin ist die Tochter des steinreichen Verlegers Robert Maxwell und kam Anfang der 90er Jahre nach New York. Sie traf Jeffrey Epstein und soll zeitweise seine Freundin gewesen sein. Das Umfeld Epsteins beschreibt ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellter, bester Freundin und rechter Hand.

Die 57-Jährige gilt als die wohl wichtigste Komplizin Epsteins. Amerikanischen Medienberichten zufolge hat sie sich mehrfach entschieden gegen Vorwürfe gewehrt. Mehrere mutmassliche Opfer werfen ihr vor, im Zentrum des Prostitutionsrings zu stehen, Mädchen für Epstein rekrutiert zu haben und sich auch selbst am Missbrauch beteiligt zu haben. Eines der mutmasslichen Opfer gab an, sie sei als Epsteins «Sexsklavin» von Maxwell angeworben worden.

Diese Informationen stammen aus Akten von einem Prozess, der mit dem Fall Epstein zusammenhängt. Öffentlich gemacht wurden sie am Freitag vor einer Woche. Dass Epstein in der folgenden Nacht starb, ist für viele kein Zufall. Doch die Umstände seines Todes führten zu einer Welle an Spekulationen und Verschwörungstheorien. Unbestritten ist, dass der 66-Jährige am Samstagmorgen leblos in seiner Gefängniszelle in New York gefunden wurde. Und auch, dass seine Wachen sich nicht an ihre Aufsichtspflicht hielten, obwohl Epstein nur zwei Wochen zuvor offenbar schon einmal versucht hatte, Suizid zu begehen.

In den USA zirkulierten teils krude Theorien darüber, dass Epsteins Tod eben kein Suizid, sondern Teil einer Verschwörung gewesen sein könnte. Ob angeblich die Clintons dahinterstecken, Präsident Trump oder jemand ganz anderes - die Antwort hängt auch vom politischen Standpunkt des Betrachters ab. Die Feindseligkeit in der Debatte passt zum vergifteten politischen Klima in den USA.

Die besten Investigativteams des Landes jedenfalls, Reporter der «New York Times», der «Washington Post» oder von CNN haben bisher offenbar keine Beweise für die Verwicklung von Angehörigen der US-Elite in Epsteins mutmassliche Verbrechen finden können. Doch Vorwürfe mutmasslicher Opfern kursieren.

Auf der Suche nach Gerechtigkeit hoffen die Mädchen von damals nun darauf, dass zumindest mutmassliche Komplizen zur Rechenschaft gezogen werden. Ein mutmassliches Opfer strengte eine Zivilklage gegen Ghislaine Maxwell und andere an. Von Epsteins mutmasslicher Gehilfin allerdings fehlt jede Spur. 

Die letzte Spur verlor sich in der verschlafenen Atlantik-Kleinstadt Manchester-by-the-Sea bei Boston, in der sie angeblich gesehen wurde. Viele glauben, dass sie die USA verlassen hat. Aus der High Society New Yorks jedenfalls ist sie verschwunden. Das Haus, in dem sie in Manhattan wohnte, wurde 2016 verkauft. Es steht nur wenige Strassen entfernt von dem Anwesen, an dem die Initialen «JE» bald Geschichte sein dürften.

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