Rote Zahlen, mehr Jobabbau: Boeings Krise nimmt kein Ende
Die Corona-Pandemie und die Misere um den Absturzflieger 737 Max halten den Airbus-Erzrivalen Boeing weiter fest im Krisenmodus. Zwar fiel der Verlust im dritten Quartal geringer aus als erwartet, doch die Lage bleibt prekär. Zahlreiche weitere Stellen sollen wegfallen.
Das Wichtigste in Kürze
- Neuer Geschäftsbericht, alte Probleme: Der US-Luftfahrtriese Boeing ächzt weiter unter der Corona-Krise und dem Dauerdebakel um den Unglücksjet 737 Max.
In den drei Monaten bis Ende September fiel bereits der vierte Quartalsverlust in Folge an, wie der Airbus-Erzrivale am Mittwoch in Chicago mitteilte. Angesichts der prekären Lage und trüber Aussichten plant Boeing mit dem Abbau zahlreicher weiterer Jobs. Es gibt allerdings auch Hoffnungszeichen.
Unter dem Strich erlitt Boeing im dritten Quartal einen Verlust von 466 Millionen Dollar (394 Mio Euro) nach einem Gewinn von fast 1,2 Milliarden Dollar ein Jahr zuvor. Analysten hatten mit einem deutlich höheren Minus gerechnet. Im zweiten Quartal hatte sich der Verlust sogar auf 2,4 Milliarden Dollar summiert. Der Umsatz brach im dritten Quartal gegenüber dem bereits stark von der 737-Max-Krise belasteten Vorjahreswert um 29 Prozent auf 14,1 Milliarden Dollar ein.
Die Aktie reagierte mit deutlichen Verlusten, seit Jahresbeginn ist der Kurs ohnehin schon um mehr als 50 Prozent gesunken. Die «tiefen Auswirkungen» der Corona-Krise hätten im Verkehrsflugzeuggeschäft zu Einbussen auf breiter Front geführt, erklärte Boeing-Chef Dave Calhoun in einem Memo an die Belegschaft. Der Konzern stemme sich mit seinen übrigen Sparten wie Rüstung und Raumfahrt sowie mit Kostensenkungen gegen die Krise, müsse aber weiter massiv Personal abbauen.
Bis Ende 2021 dürfte die Mitarbeiterzahl auf rund 130.000 reduziert werden, so Calhoun. Zum Vergleich: Anfang 2020 hatte Boeing noch etwa 160.000 Beschäftigte. Das Management hatte in den Vorquartalen bereits drastische Stellenstreichungen angekündigt. Zunächst war die Rede von 10 Prozent der Belegschaft, dann hiess es, dass bis zum Jahresende rund 19.000 Mitarbeiter gehen würden. Vor drei Monaten hatte Calhoun bereits vor möglichen weiteren Entlassungen gewarnt.
Nach Vorlage der Quartalszahlen präzisierte die Konzernführung den Stellenabbau in einer Konferenzschalte mit Finanzanalysten. Über die bereits geplanten Streichungen hinaus sollen im kommenden Jahr demnach unterm Strich zusätzliche 7000 Jobs eingestampft werden. Berücksichtigt man neben freiwilligen und unfreiwilligen Kündigungen auch andere Personalfaktoren wie etwa vorzeitige Pensionierungen und Nicht-Besetzungen offener Stellen, so fallen konzernweit innerhalb von nur zwei Jahren ungefähr 30.000 Arbeitsplätze weg.
Allerdings gab es zuletzt auch etwas Positives. So könnte das Flugverbot für die 737 Max, die im März 2019 nach zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten weltweit aus dem Verkehr gezogen wurde, schon bald aufgehoben werden. Nachdem eine Steuerungssoftware repariert wurde, die als Hauptursache der Unglücke gilt, rückt die Wiederzulassung in den USA offenbar immer näher. Auch Europas Luftfahrtaufsicht EASA hat bereits ihre Zustimmung signalisiert. «Wir machen wichtige Fortschritte», erklärte Boeing-Chef Calhoun jetzt.
Die Corona-Pandemie, die weite Teile des Luftverkehrs lahmgelegt und viele Fluggesellschaften in Finanznot gebracht hat, dürfte Boeing hingegen noch deutlich länger belasten. Der Konzern rechnet mit einer Durststrecke, die die Nachfrage nach Flugzeugen dauerhaft dämpfen wird. «Es dürfte etwa drei Jahre dauern, um das Niveau von 2019 wieder zu erreichen», sagte Boeing-Manager Darren Hulst kürzlich. Bis die Luftfahrtbranche zu ihrem langfristigen Wachstumstrend zurückkehre, dürften fünf oder sogar mehr Jahre vergehen.
Boeing musste angesichts des geringeren Bedarfs bereits zahlreiche Abbestellungen verkraften. Insgesamt gingen Boeing von Jahresbeginn bis Ende September unterm Strich bereits 381 Aufträge verloren. Der Konzern leidet besonders unter Stornierungen der 737 Max. Doch auch hier hat sich die Lage zuletzt zumindest etwas entspannt - im September wurden die wenigsten Aufträge seit der weltweiten Ausbreitung des neuartigen Coronavirus im Februar zurückgezogen.