Wie heikel ist die Gesichtserkennung in der Schweiz?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Firma Clearview AI sorgte in den letzten Wochen für Schlagzeilen.
- Sie verkaufen Fotos von Privatpersonen an Firmen und die amerikanische Polizei.
- In der Schweiz will man von solch invasiven Methoden noch nichts wissen.
Die ständige Überwachung von Privatpersonen ist Dauerthema. Doch eine Firma aus den USA, genannt Clearview AI, macht dies anderen Firmen und Behörden nun nochmal um einiges leichter.
Clearview AI durchforstet das Netz nach Fotos von Personen und ordnet diese dann einander zu. Nun verkaufen sie ihren Service unter anderem an amerikanische Polizeistationen, welche von der Methode schwärmen. Denn somit können sie Straftäter und gesuchten Personen sehr viel leichter finden.
Bilder werden unbewusst benutzt
Der Haken an der Sache? Nutzer von sozialen Medien wissen gar nicht, dass Clearview ihre Daten und Bilder in dieser Weise verwendet. Für Jean-Claude Frick, Digital-Experte von Comparis.ch, ist klar: Die Firma greift klar in die Privatsphäre der betroffenen Personen ein.
«Man landet ohne Wissen in der Datenbank einer Firma, welche diese Bilder scannt, analysiert und an Strafverfolgungsbehörden verkauft.»
Die Zuordnung von Bildern zu Personen und der Abgleich mit verfügbaren Daten sei in diesem Ausmass bisher noch nie vorgekommen und stellt einen Tabubruch im Netz dar. Seine eigenen Daten zu schützen sei beinahe unmöglich, so Frick.
«Realistisch betrachtet ist es schon zu spät. Von den meisten Internetnutzern existieren schon massenhaft Daten im Netz», meint der Techexperte.
Sein Rat bleibt stets: Keine Fotos von sich öffentlich zu posten und so wenige Informationen wie nur möglich zu veröffentlichen. Doch nur gesetzliche Regelungen gegen flächendeckende Gesichtserkennung würde am Ende wirklich schützen.
Gratwanderung zwischen Moral und Sicherheit
Hernani Marques, Mitglied beim «Chaos Computer Club Schweiz», sieht beide Seiten der Medaille. «Vom Blickwinkel der Interessenslage von Polizei und auch Geheimdiensten her ist klar, dass eine Begeisterung da ist. Man will sich grundsätzlich allem bedienen, was man habhaft wird.»
Doch: «Die Rechtssprechung in freiheitlichen Gesellschaften ist darauf anzupassen, dass biometrische Daten, zu denen auch Gesichtsbilder gehören, als besonders schützenswerte Daten deklariert werden.» Damit könne zumindest der rein kommerziellen Nutzung ein Stück weit der Riegel vorgeschoben werden, so Marques.
Weiterhin findet eine solche Entwicklung nicht nur bei Gesichts- sondern auch bei Bewegungs- und Kommunikationsbildern statt. In der Schweiz wird im Überwachungsgesetz BÜPF ganze sechs Monate lang von allen in der Schweiz lebenden Personen alles mögliche gespeichert.
Beispielsweise, mit welchen Menschen man in Kontakt ist und wo man sich zu jeder Zeit aufhält, erklärt Marques. Dies sei ebenfalls ein negativer Effekt der Handy-Nutzung, dessen viele sich nicht bewusst seien.
Das Bundesamt für Polizei Fedpol habe Kenntnis von der Software, so Florian Näf, zuständiger Mediensprecher. «Fedpol hat diese Software bisher nie eingesetzt. Und beabsichtigt dies auch in Zukunft aus rechtlichen Überlegungen nicht zu tun», so Näf.