Angriff auf Hisbollah: Steckt Cyberattacke hinter Pager-Explosionen?
Im Libanon kam es am Dienstagnachmittag zu Hunderten Explosionen von Piepsern der Hisbollah-Miliz. Experten vermuten Sprengstoff oder einen Cyberangriff.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Dienstag ist es im Libanon zu Hunderten Explosionen von Piepsern gekommen.
- Neun Hisbollah-Kämpfer wurden getötet, Tausende verletzt.
- Hinter dem Angriff könnte ein Cyberangriff von Israel stecken.
Zuspitzung im Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz: Bei mutmasslich koordinierten Explosionen Hunderter tragbarer Funkempfänger sind im Libanon neun Menschen getötet worden. Rund 2750 wurden verletzt.
Die Hisbollah machte Israel für die Explosionen der sogenannten Pager verantwortlich. Auf Telegram kündigte die Miliz Vergeltung für die «sündige Aggression» an.
Experten rätseln nun, wie es dazu kommen konnte, dass die Pager zeitgleich in die Luft gingen. Spekuliert wird über Sprengstoff in den Pagern oder einen Cyberangriff. Bei diesem sollen die verbauten Lithium-Ionen-Batterien dazu gebracht worden sein zu überhitzen.
Sprengstoff oder Cyberangriff: Experten haben zwei Theorien
Die Sprengstoff-Theorie gilt als unwahrscheinlich, schreibt die britische «Daily Mail». Die Ladungen hätten in den Pagern platziert werden müssen. Beim Empfang einer bestimmten Nachricht wären die Explosionen ausgelöst worden.
Doch hätte ein derartiges Vorgehen eine äusserst komplexe Organisation und Ausführung erfordert, sagte ein ehemaliger US-Geheimdienstmitarbeiter der Zeitung.
Wahrscheinlicher sei ein Cyberangriff, durch den die Lithium-Ionen-Batterien der Pager überhitzt wurden. Die «Daily Mail» bezieht sich auf eine der Hisbollah nahe Quelle.
Pager waren erst kürzlich an Hisbollah geliefert worden
Bekannt ist, dass sich die Akkus, wenn sie heisslaufen, entzünden können. Explosionen seien möglich, aber nicht sicher.
Libanesische Militärs gehen davon aus, dass die Batterien simultan von Israel zum Überhitzen gebracht wurden. Eventuell seien die Geräte gehackt worden. Israels Armee kommentierte die Vorfälle zunächst nicht.
Das «Wall Street Journal» berichtete, die Pager stammten aus einer Lieferung, die die Hisbollah erst kürzlich erhalten habe. Hunderte Kämpfer hätten solche Geräte, sagte ein namentlich nicht genannter Hisbollah-Vertreter.
Dieser vermutete, die Geräte seien mit Schadsoftware versehen gewesen. Diese hätte zu einer Überhitzung und zur Explosion der Pager geführt.
UN warnen vor Eskalation zwischen Israel und Hisbollah
Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Kämpfer gewesen sein, darunter auch Mitglieder der Elitetruppe Radwan. Zudem sollen hochrangige Hisbollah-Vertreter verletzt worden sein, wie eine der Miliz nahestehende Quelle bestätigte.
In Videos von Überwachungskameras im Libanon war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden.
Die Explosionen ereigneten sich örtlichen Medien zufolge in den südlichen Vororten Beiruts. Dort ist die Hisbollah besonders stark. Auch im Süden des Landes kam es zu Explosionen.
Augenzeugen berichteten von Panik in den Strassen Beiruts. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz. Das Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft und die Bürger zu Blutspenden auf.
Steckt Israel hinter Angriff auf Terroristen?
Auch Irans Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, soll Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Pagers verletzt worden sein. Dieser habe einem Leibwächter gehört, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim. Die Hisbollah ist der wichtigste nicht-staatliche Verbündete der Islamischen Republik Iran.
Die Vereinten Nationen warnten vor einer Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah. «Diese Entwicklungen sind äusserst besorgniserregend. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass dies in einem äusserst instabilen Kontext geschieht», sagte Sprecher Stéphane Dujarric in New York.
Seit Beginn des Israel-Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet fast täglich zu Konfrontationen. Dies zwischen der libanesischen Hisbollah und dem israelischen Militär. Auf beiden Seiten gab es infolge des Beschusses Tote. Die meisten von ihnen waren Mitglieder der Hisbollah.
Erst am Dienstag wurden nach israelischen Angaben bei einem Angriff auf einen Ort im Südlibanon drei Hisbollah-Kämpfer getötet. Die proiranische Schiitenmiliz handelt nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen.