Bekannter Protestsänger im Iran kommt auf Kaution frei
Der im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten festgenommene Sänger Scherwin Hadschipur ist gegen Kaution freigelassen worden.
Das gab die Stadt Sari im Nordiran am Dienstag bekannt. Sein Fall werde jedoch weiterhin bis zu seinem Gerichtstermin untersucht, erklärte die Staatsanwaltschaft der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zufolge.
Hadschipur war vergangene Woche vom Geheimdienst festgenommen worden. Ihm wurde vorgeworfen, mit dem Lied «Baraye» («Für») die Proteste im Land unterstützt und Jugendliche zu Unruhen angestiftet zu haben. Demonstranten hatten zuletzt seine sofortige Freilassung gefordert.
Der Song «Baraye» erfuhr im Iran grosse Aufmerksamkeit und machte den 25-jährigen Sänger über Nacht landesweit bekannt. In seinem Lied fasste er die Forderungen der hauptsächlich jungen Demonstranten musikalisch zusammen. «Für die Sehnsucht nach einem normalen Leben, für Tanzen auf den Strassen, für Küssen ohne Angst, für die verrosteten Köpfe», lauten Teile des sozialkritischen Songs. Nach seiner Verhaftung letzte Woche wurde das Lied bei allen Demonstrationen und Versammlungen entweder gesungen oder gespielt. Es ist in der Zwischenzeit quasi zur Protest-Hymne des Landes geworden.
Die systemkritischen Proteste wurden auch in der Nacht zum Dienstag fortgesetzt. In mehreren Teilen der Hauptstadt Teheran waren Slogans gegen die iranische Führung zu hören. Beachtlich für Beobachter war dabei die zunehmende Beteiligung von Schülerinnen bei den Protesten. Obwohl die jüngeren Iraner im Systen der islamischen Republik aufgewachsen sind, fordern viele von ihnen nun radikale Änderungen.
Für Empörung in sozialen Medien sorgten am Dienstag die Aussagen eines schiitischen Klerikers. Die gegen das Kopftuchverbot protestierenden Frauen «wollen ja nur nackt rumlaufen, jeden Abend mit einem anderen schlafen und wie Tiere leben», sagte der Hardliner Hamid Rassaei dem Nachrichtenportal Modara zufolge.
Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September. Die Sittenpolizei hatte sie wegen ihres angeblich «unislamischen Outfits» festgenommen. Was mit Amini danach geschah, ist unklar. Die Frau fiel ins Koma und starb am 16. September in einem Krankenhaus. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben; die Polizei weist das zurück. Seit dem Tod der jungen Frau demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen Regierung und das konservative islamische System.