Beobachter beklagen beispiellose Verstösse bei Russland-Wahl
Wahlbeobachter der unabhängigen russischen Organisation Golos haben bei der Präsidentenwahl nie da gewesene Verstösse beklagt. Es habe sich um eine «Imitation» gehandelt, aber nicht um eine Abstimmung, bei der Wähler ihr Rechte gewahrt sahen, teilte die in Russland verfolgte Organisation am Montag mit.
Kremlchef Wladimir Putin hatte sich 87,3 Prozent der Stimmen für seine fünfte Amtszeit zusprechen lassen – mehr als je zuvor bei einer russischen Präsidentenwahl. «Wir haben noch nie eine Präsidentenwahl gesehen, die so wenig den Standards der Verfassung entsprochen hat», teilte Golos mit.
Zwang und Kontrolle: Die dunklen Seiten des Wahlprozesses
Der gesamte Staatsapparat habe auf Propaganda, auf Zwang und Kontrolle der Wähler umgeschaltet. Zudem sei mithilfe von Angstmache und Gewalt eine Kriegszensur eingeführt worden, hiess es weiter in der Mitteilung. Besonders am Sonntag, dem letzten Tag der dreitägigen Abstimmung, hätten Sicherheitskräfte Wähler für das «nicht richtige» Ausfüllen von Stimmzetteln bestraft. Menschen seien auch zum Bruch des Wahlgeheimnisses gezwungen worden. «So etwas hat es bei keiner Wahl vorher gegeben», hiess es.
Laut Golos taten die Organisatoren ausserdem alles, um eine Beobachtung der Wahl zu verhindern. Unabhängige Beobachter seien nicht in die Wahllokale gelassen worden, und es habe keinen Zugang zu den Aufnahmen der Videoüberwachung gegeben.
Bei vergangenen Wahlen waren die im Internet veröffentlichten Videos wichtige Beweise, etwa für das verbreitete Vollstopfen von Urnen mit vorab ausgefüllten Stimmzetteln. Es sei für Wähler unmöglich gewesen, einen freien Willen zu bilden und diesen auszudrücken.
Golos: «Ergebnisse spiegeln keine echte Stimmungslage wider»
Deshalb könnten die Ergebnisse auch nicht die Stimmungslage widerspiegeln, hiess es. Schon vorher sei der in der russischen Verfassung verankerte Schutzmechanismus gegen eine Machtergreifung demontiert worden, hiess es in der Golos-Mitteilung weiter. Putin hatte die Verfassung 2020 ändern lassen, um sich zusätzliche Amtszeiten zu verschaffen. Ursprünglich waren zwei Amtszeiten zulässig.
Putin hatte nach deren Ende und einer vierjährigen Pause bereits ab 2012 zwei weitere Perioden lang regiert. Er darf 2030 nach nun gültiger Verfassung zur sechsten und letzten Amtszeit antreten.
Internationale Beobachter: Ausgeschlossen und ignoriert
Zur Wahl waren diesmal keine Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eingeladen, deren Bewertung wichtig ist für die internationale Anerkennung eines Ergebnisses.
Die zentrale Wahlkommission in Moskau hatte am Montag mitgeteilt, es gebe keine Beschwerden über Verstösse bei der Wahl.