Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro entlässt sechs Minister
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ist wegen seines Krisenmanagements unter Druck geraten. Nun hat er die Spitzen von sechs Ministerien neu besetzt.
Das Wichtigste in Kürze
- Das mangelhafte Corona-Krisenmanagement in Brasilien sorgte für Kritik.
- Unerwartet hat Bolsonaro nun sechs Minister ausgetauscht.
- Experten vermuten ein strategisches Kalkül vor der Präsidentschaftswahl 2022.
Brasiliens Führung wird wegen dem mangelhaften Krisenmanagement in der Corona-Pandemie kritisiert. Nun hat Staatschef Jair Bolsonaro die Spitzen von sechs Ministerien neu besetzt.
Die überraschend umfangreiche Kabinettsumbildung wurde am Dienstag per Veröffentlichung im Amtsblatt offiziell gemacht. Experten vermuten dahinter strategisches Kalkül vor der Präsidentschaftswahl 2022 - und den Versuch Bolsonaros, seinen Einfluss auf das Militär auszuweiten. Zu den Abgängen gehören Aussenminister Ernesto Araújo und Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva.
Auf sie folgen der Karrierediplomat Carlos Alberto Franco França und der General Walter Souza Braga Netto. Souza Braga war bisher «Chefe da Casa Civil», vergleichbar mit dem Kanzleramtschef. Während sich der Abschied von Aussenminister Araújo zuletzt angedeutet hatte, kamen die restlichen Personalwechsel unerwartet: Weder Bolsonaro noch die Minister hatten darauf Hinweise gegeben.
3000 Corona-Tote innert 24 Stunden
Araújo zählt zum ultrakonservativen Flügel der Regierung des Rechtspopulisten Bolsonaro. Er war nach einem Treffen mit den Präsidenten von Senat und Kongress in der vergangenen Woche unter Druck geraten. Ihm wird erhebliche Mitschuld daran gegeben, dass Brasilien bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie so schlecht dasteht.
Am Dienstag vergangener Woche waren im grössten Land Lateinamerikas erstmals über 3000 Corona-Tote binnen 24 Stunden registriert worden. Am Mittwoch überschritt Brasilien die Marke von 300'000 Corona-Toten insgesamt.
Dem Aussenminister wurde vorgeworfen, Brasilien auf der internationalen Bühne isoliert zu haben. Das Land soll deswegen um eine gute Position beim Erwerb von Impfstoffen gebracht worden sein. Tatsächlich war Araújo massgeblich in politische Konflikte mit wichtigen Handelspartnern wie China involviert. Aus der Volksrepublik importiert Brasilien wichtigen Grundstoff für die Produktion von Corona-Impfstoff.
Arthur Lira drohte mit Amtsenthebungsverfahren
Bolsonaro nahm den Rücktritt seines Aussenministers quasi zum Anlass für einen grösseren Umbau. Und dafür, dem «Centrão» - kleine Parteien, die ihre politische Unterstützung gegen Ämter und Posten tauschen - Zugeständnisse zu machen. Im Wahlkampf hatte er zwar versprochen, nicht vor der «alten Politik» des «dort nehmen, hier geben» zu kapitulieren.
Doch der Präsident der Abgeordnetenkammer und Chef des «Centrão», Arthur Lira, verschärfte den Ton. Er kokettierte mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten angesichts der in Brasilien ausser Kontrolle geratenen Corona-Pandemie. Dass Bolsonaro schliesslich nachgab, dürfte auch mit der Präsidentschaftswahl 2022 zusammenhängen.
Bolsonaro will sich Unterstützung des Militärs sichern
Ausserdem will Bolsonaro laut Stimmen aus dem politischen Brasília seinen Einfluss auf das Militär mehren. Der nun abgelöste Verteidigungsminister Azevedo hatte sich demnach geweigert, die Politik des Präsidenten zu unterstützen.
Bolsonaro soll zu verstehen gegeben haben, dass er sich die Unterstützung des Militärs sichern will. Dies, um Notstandsmassnahmen wegen des Lockdowns zu verhängen, den Bundesstaaten und Städte gegen seinen Willen ausgerufen hatten. Er selbst lehnt einen Lockdown aus wirtschaftlichen Gründen ab.
Die Spitzen von Armee, Luftwaffe und Marine trafen sich am Dienstag mit dem neuen Verteidigungsminister Braga Netto. Danach verkündete das Verteidigungsministerium ihre Ablösung. Schon zuvor war spekuliert worden, dass sie in Azevedos Gefolgschaft ihren Rücktritt anbieten könnten.