Die Weissstörche sind zurück
Das Wichtigste in Kürze
- Deutschlands Störche sammeln sich zurzeit zwischen Flensburg und Garmisch für die neue Brutsaison.
Es sind Vögel, «die auf der iberischen Halbinsel, in Spanien überwintert haben», weiss der Biologe Kai-Michael Thomsen.
«Die haben sich vor ein, zwei Wochen aufgemacht und trudeln jetzt so langsam ein.» Doch es sind nicht die ersten, die sich in Deutschland auf die Brut vorbereiten. «Denn einige Störche überwintern mittlerweile regelmässig in Deutschland, so dass der erste Storch schon am 1. Januar im Nest sitzt.»
Die jährlichen Wanderungen der Störche zwischen den europäischen Brutgebieten und den Winterquartieren in Afrika faszinieren Forscher und Vogelfreunde gleichermassen. Ein Teil der Störche fliegt auf der sogenannten Ostroute über den Bosporus nach Afrika, ein Teil nutzt die Westroute und gelangt über Spanien und Gibraltar dorthin. Immer häufiger verbringen viele dieser Weststörche den Winter aber auch in Spanien. Andere Exemplare bleiben ganz im Land. Von ihrem gewählten Winterquartier hängt ab, wann die Tiere hierzulande wieder zum Brüten eintreffen.
Früher sagte man, dass der Storch erst Anfang April wieder kommt, erklärt Thomsen. Den gibt es auch heute noch, den «klassischen» Storch, der zum Teil bis zu 10 000 Kilometer ins ferne Südafrika fliegt, sagt der Nabu-Fachmann. Heute jedoch hocken viele seiner Kollegen schon sechs Wochen früher auf den Nestern. Weil sie den Winter über in Europa bleiben. Für die Störche auf der so genannten Westroute dauert der Zug nach Spanien nur 2000 Kilometer, erklärt Thomsen. Er ist entsprechend weniger gefährlich. «Denn jeder Flug kann bedeuten, dass ich gegen irgendetwas fliege, oder einem Beutegreifer zum Opfer falle, oder, oder, oder.» Und satt werden die Störche auch in Spanien. «Sie müssen morgens nur auf die Müllkippe fliegen und warten, bis ein Lastwagen kommt, und ihnen das Futter vor die Nase kippt.»
Ähnliches kann man auch bei den Störchen auf der Ost-Route beobachten. Einige von diesen überwintern in Israel, andere bleiben mehrere Wochen am Nil. Denn im Sudan und in Ägypten entstanden in den letzten Jahren zahlreiche neue Bewässerungsfelder. Dort wird Luzerne für chinesische Milchkühe angebaut. «Und das sind für die Störche durchaus attraktive Rastgebiete.» Noch sei aber nicht absehbar, ob sich auch dort eine neue Überwinterungstradition bilde, sagt Thomsen.
Und dann gibt es noch die Störche, die im Herbst einfach nur vor dem Winter flüchten. «Die ziehen höchstens bis Süd-West-Deutschland oder nach Frankreich, wo sie noch ausreichend Futter finden können.» Dort bleiben sie, solange es richtig kalt ist. «Sobald die ersten Frühlingsstrahlen da sind, hocken sie wieder in ihren Nestern.»
Es gibt sogar einige Störche, die in Schleswig-Holstein überwintern. «Es ist in einer Population immer so, dass sich einige anders verhalten als die Mehrzahl, die ausprobieren, ob etwas funktioniert», sagt Thomsen. «So können sich Arten an bestimmte Veränderungen im Lebensraum anpassen und das Überleben sichern.»
Funktionieren kann diese Anpassung aber nur, weil die Zugrouten bei den Störchen nicht genetisch festgelegt sind. Das dachte man früher, da die Jungstörche im Herbst meist vor den Alten in die Winterquartiere starten. «Es stossen aber immer erfahrene Altvögel dazu, von denen sie die Route lernen», sagt Nabu-Storchenexperte Jörg Heyna.
Wichtig für die Wanderungen ist nicht nur die Route, sondern auch, wie man möglichst energiesparend fliegt. Denn «der Weg und das Ziel eines Storchs hängen unter anderem auch davon ab, wie effizient er fliegen kann», sagt der Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie, Professor Martin Wikelski. «Wie lange ein Storch im Segelflug dahingleiten kann, beeinflusst offenbar auch, wo er den Winter verbringen wird», haben die Forscher in Radolfzell am Bodensee herausgefunden. «Tiere, die viel mit den Flügeln schlagen, fliegen weniger weit als die, die Thermik besser ausnutzen können.» Das bedeute, «die effizienteren Flieger reisen bis nach Westafrika, während die übrigen in Südeuropa überwintern.»
«Wir erleben beim Weissstorch im Moment life, wie sich eine Art anpassen kann an unterschiedliche Lebensbedingungen», sagt Nabu-Experte Thomsen. Welche Zugstrategien sich durchsetzen, sei noch völlig offen. In Deutschland gibt es laut Thomsen etwa 7000 Weissstorch-Brutpaare; davon lebten 2018 in Schleswig-Holstein 276 Paare.