Haitis Interims-Premierminister soll Rücktritt angeboten haben
Interims-Premierminister Ariel Henry von Haiti erklärt seinen Rücktritt aufgrund der zunehmenden Bandengewalt.
Der wegen Bandengewalt im Ausland festsitzende Interims-Premierminister Haitis, Ariel Henry, hat sich nach Angaben der karibischen Staatengemeinschaft Caricom zum Rücktritt bereiterklärt. Es werde ein siebenköpfiger Präsidialrat für den Übergang hin zu Wahlen in Haiti gegründet, der einen neuen Interims-Premierminister bestimmen werde, teilte Guyanas Präsident Mohamed Irfaan Ali am Montag (Ortszeit) nach einem Treffen der Regierungschefs karibischer Staaten in Jamaika mit. Mächtige kriminelle Banden, die grosse Teile Haitis und fast die gesamte Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren, hatten Henrys Rücktritt gefordert.
Henry hatte am 20. Juli 2021, rund zwei Wochen nach der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse, als Interims-Premierminister die Regierungsgeschäfte in Haiti übernommen. Moïse hatte ihn keine 36 Stunden vor seinem Tod zum siebten Premierminister seiner Amtszeit erkoren. Allerdings hatte Henry das Amt vor dem Attentat noch nicht angetreten.
Unter der Ägide des 74-jährigen Neurochirurgen wurden Wahlen dann mit Verweis auf die Sicherheitslage mehrmals verschoben und bis heute nicht nachgeholt. Der arme Karibikstaat, der nicht einmal so gross wie Brandenburg ist und rund elf Millionen Einwohner hat, hat derzeit keine gewählten nationalen Amtsträger – weder einen Präsidenten noch ein Parlament.
Bandengewalt in Haiti eskaliert
Kriminelle Banden kontrollierten nach Angaben der Vereinten Nationen schon vor Beginn der aktuellen Gewaltwelle etwa 80 Prozent von Port-au-Prince. Seit Ende Februar ist die Lage vollends eskaliert, inzwischen gilt ein landesweiter Ausnahmezustand. Die zwei mächtigsten Banden schlossen sich zusammen und forderten Henrys Rücktritt – andernfalls werde es zu einem Bürgerkrieg kommen, drohte der Bandenchef Jimmy Chérizier alias «Barbecue».
Banditen legten grosse Teile Haitis mit ihrer Gewalt lahm: Sie griffen unter anderem Polizeiwachen und Flughäfen an, seit mehr als einer Woche gehen keine Flüge von und nach Haiti mehr. Auch wurden mehr als 4500 Häftlinge gewaltsam aus Gefängnissen befreit. Diplomaten der EU wie der USA und auch der deutsche Botschafter haben Haiti inzwischen verlassen.
Die jüngste Eskalation der Ereignisse fiel mit einer Auslandsreise Henrys zusammen, die ihn erst nach Guyana und dann am 1. März nach Kenia führte – das ostafrikanische Land hatte sich bereiterklärt, eine vom UN-Sicherheitsrat genehmigte Sicherheitsmission in Haiti anzuführen.
Haiti im politischen Chaos
Zuletzt flog er am 5. März nach Puerto Rico, nachdem ihm die an Haiti grenzende Dominikanische Republik keine Landeerlaubnis erteilt hatte. Der dominikanische Präsident Luis Abinader erklärte Henry aus Sicherheitsgründen zur Persona non grata.
Der Druck auf Henry, sein Amt niederzulegen, wurde immer grösser. Die USA, denen viele Haitianer und politische Experten nachsagen, Henry bislang an der Macht gehalten zu haben, forderten ihn auf, den politischen Übergang hin zu Wahlen zu beschleunigen. Am Montag nahm US-Aussenminister Antony Blinken am Caricom-Treffen in Kingston teil und sprach von einer unhaltbaren Situation für die Haitianer.
Der nun zu gründende Präsidialrat soll sich laut Guyanas Präsident Ali aus Vertretern der haitianischen Gesellschaft und Politik zusammensetzen.