Hunderte Verletzte bei schweren Zusammenstössen in Jerusalems Altstadt
Am Wochenende geraten die israelischen Sicherheitskräfte und Palästinenserinnen und Palästinenser aneinander. Zahlreiche Staaten rufen zur Deeskalation auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Lage in Jerusalem ist seit Beginn des Fastenmonats Ramadan angespannt.
- Am Wochenende kommt es erneut zu teils heftigen Ausschreitungen.
- Muslimische Staaten kritisieren das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte.
Die Lage in Jerusalems Altstadt hat sich am Wochenende gefährlich zugespitzt: Bei heftigen Zusammenstössen mit israelischen Sicherheitskräften wurden seit Freitagabend nach Angaben von Sanitätern etwa 300 Palästinenser verletzt.
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen wiederholten sich auch in der Nacht zum Sonntag. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Die Palästinenser sehen Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates.
Ein israelischer Polizeisprecher sagte am Sonntag: Es sei sowohl am Damaskustor – einem der Eingänge zur Altstadt – als auch beim Tempelberg zu Konfrontationen gekommen.
Polizei setzt Blendgranaten und Gummigeschosse ein
Auf dem Tempelberg versammelten sich am Samstagabend mehr als 90'000 gläubige Muslime zum Feiertag Lailat al-Kadr (Nacht der Bestimmung). An dem Tag wurde nach der Überlieferung der Koran an den Propheten Mohammed übergeben.
Der Tempelberg ist sowohl die drittheiligste Stätte im Islam als auch im Judentum von grösster Bedeutung. Weil dort früher zwei jüdische Tempel standen, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde.
In der Nähe des Damaskustors bewarfen palästinensische Demonstranten die Sicherheitskräfte nach Polizeiangaben mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern. Die Polizisten setzten nach Medienberichten Gummigeschosse, Tränengas und Blendgranaten ein. Bereits in der Nacht zum Samstag war die Lage rund um die Altstadt und das Viertel Scheich Dscharrah eskaliert. Von mehr als 200 Verletzten war danach die Rede.
Erdogan bezeichnet Israel als «Terrorstaat»
Die Lage im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems ist seit Beginn des Fastenmonats Ramadan angespannt. Viele Palästinenser sind zornig, weil die Polizei Bereiche der Altstadt abgesperrt hatte, um Versammlungen zu verhindern. Ausserdem drohen palästinensischen Familien in Scheich Dscharrah Räumungen.
Bei einer Sondersitzung der Regierung zum israelischen Jerusalem-Tag sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag: Man werde Religionsfreiheit für alle wahren, aber keine Gewalt dulden. Israel feiert am Jerusalem-Tag die Eroberung des Ostteils mit der Altstadt während des Sechstagekriegs 1967.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Israel angesichts der Zusammenstösse als «Terrorstaat». Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain kritisierten Israel ebenfalls. Das Nahost-Quartett aus den USA, Russland, den Vereinten Nationen und der EU äusserte sich besorgt. Israel solle während des Ramadans «alle Schritte vermeiden, die die Lage weiter eskalieren könnten».
Aus dem Gazastreifen wurde eine Rakete über die Grenze nach Israel geschossen. Darauf attackierte die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben einen Militärposten der islamistischen Hamas, die in dem abgeschotteten Küstengebiet herrscht.