Irans Vergeltungsschlag im Irak war offenbar vor allem eine symbolische Demonstration der Stärke. Nach Tagen martialischer Drohungen sendet nun auch Trump Signale einer Entspannung. Das könnte zum Teil auch mit der US-Wahl in zehn Monaten zu tun haben.
Der irakische Luftwaffenstützpunkt Ain al-Asad war Ziel des iranischen Raketenangriffs. Foto: Khalid Mohammed/AP/dpa
Der irakische Luftwaffenstützpunkt Ain al-Asad war Ziel des iranischen Raketenangriffs. Foto: Khalid Mohammed/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Es sind mehrere gleissende weisse Punkte, die vom Boden aufsteigen und durch den Nachthimmel gleiten.
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Ein dumpfes Rauschen ist zu hören.

Mehr als ein Dutzend Raketen haben die Iraner in der Nacht zum Mittwoch in Richtung zweier Militärstützpunkte im Irak abgeschossen, die auch vom US-Militär genutzt werden. Immer wieder spielen TV-Sender der Region dieselben vom Iran verbreiteten Bilder der ballistischen Geschosse ab. Der Iran brüstet sich seines Einsatzes gegen den amerikanischen «Satan».

Nicht einmal eine Woche hat es gedauert, bis Irans Führung ihre Drohung wahr gemacht und Vergeltung für die Tötung ihres Top-Generals Ghassem Soleimani verübt hat. Wie zuvor die US-Regierung will auch Teheran in «Selbstverteidigung» gehandelt haben. Damit ist eingetreten, was Beobachter nach dem US-Drohnenangriff auf Soleimani nahe dem Flughafen von Bagdad befürchtet haben: Den Schlag der Amerikaner beantworten die Iraner mit einem Gegenschlag - allerdings mit Vorwarnung. Zudem schienen die Iraner nach Ansicht von Experten offenbar eher bemüht, einen symbolischen Vergeltungsschlag durchzuführen, als einen, der möglichst viel Schaden anrichten würde.

Eine Spirale der Gewalt, deren Ende kaum absehbar wäre, scheint damit zunächst abgewendet. Sowohl der Iran als auch die USA erklären, dass sie keinen Krieg wollen. US-Präsident Donald Trump sprach in seiner Reaktion auf die Angriffe dann auch von weiteren Sanktionen, kündigte aber keine militärische Vergeltung an, zumal niemand zu Schaden kam. Die Stärke der USA sei ein grossartiges Militär, aber das heisse nicht, dass es auch eingesetzt werden müsse, sagte Trump am Mittwoch im Weissen Haus. «Wir wollen es nicht einsetzen.» Die Streitkräfte seien jedoch auf alles vorbereitet, warnte er. Der Iran scheine keine weitere Eskalation zu wünschen, sagte Trump. Das sei «eine gute Sache für alle Beteiligten und eine sehr gute Sache für die Welt».

Für Trump war der Angriff des Irans ein Moment der Wahrheit. Seit Tagen warnte er das Regime in Teheran mit teils martialischen Drohungen vor Vergeltungsschlägen für Soleimanis Tod. Nun musste er - flankiert von seinem Verteidigungsminister, dem Generalstabschef und dem Aussenminister - ankündigen, ob er eine militärische Eskalation wollte. Trump dürfte dabei eines klar gewesen sein: Wenn er Angriffe auf den Iran angeordnet hätte, hätte der Konflikt mit dem Iran wohl die nächsten zehn Monate seiner Amtszeit überschattet.

Politisch ist der Konflikt mit dem Iran für den Republikaner Trump eine heikle Angelegenheit: Seine harte Haltung kommt bei seinen Anhängern gut an. Er brüstet sich als der Oberkommandierende der Streitkräfte, der mit «Terroristen» wie Soleimani hart ins Gericht geht. Doch ob seine Parteibasis auch einen Krieg gutheissen würde, dürfte fraglich sein - spätestens wenn es Meldungen über erste tote US-Soldaten geben sollte. Auch steigende Ölpreise und einsackende Börsen kann Trump vor der Wahl im Novemer nicht gebrauchen. Zudem würde ein von Trump begonnener Krieg den Demokraten zweifelsohne Rückenwind geben und deren Parteibasis gegen Trump mobilisieren.

Mit der Anordnung des Luftangriffs auf Irans Top-General Soleimani hatte Trump Teheran schwer provoziert, eine Vergeltungsaktion schien unausweichlich. Doch nun warb Trump sogar um eine «Zusammenarbeit» bei gemeinsamen Interessen. Mit Blick nach Teheran sagte er, die USA seien zu Frieden mit allen bereit, die sich darum bemühen.

Der iranische Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad westlich von Bagdad und eine Militärbasis im nordirakischen Erbil stellte eine klare Eskalation dar, weil die Iraner in selten direkter Art und Weise militärisch eingegriffen haben. Bislang gehörte es im Irak - wie auch im benachbarten Syrien - zu ihrer Strategie, vor allem im Hintergrund und möglichst unerkannt zu wirken. Soleimani, wichtigster General des Irans im Ausland, war der Mann, der dazu die Strippen zog. Agieren liessen die Iraner meistens ihre verbündeten schiitischen Milizen. Diesmal aber griffen sie offen an.

Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei nannte den Vergeltungsakt eine «Ohrfeige für die Amerikaner» und drohte, ein solcher Angriff reiche nicht aus. Das lässt weitere Operationen befürchten, schliesslich verfolgt Teheran das Ziel, die US-Truppen aus dem Irak und auch aus Syrien zu vertreiben. Doch zugleich sieht es so aus, als wollten die Iraner einen Weg aus der Eskalation offen halten. Teheran scheint - trotz des lauten Säbelrasselns - bemüht gewesen zu sein, mit einem nur begrenzten Vergeltungsschlag zu antworten und nicht möglichst viele US-Soldaten zu töten.

Trotz der mehr als ein Dutzend Raketen blieben die Schäden offenbar vergleichsweise gering. Die irakischen Sicherheitskräfte meldeten, von ihren Soldaten sei keiner ums Leben gekommen. Auch aus dem nordirakischen Erbil heisst es: keine Verluste, keine Schäden. So hat der Iran zugeschlagen, aber nicht mit voller Wucht. Mit dem «abgeschlossenen und verhältnismässigen» Angriff, wie Irans Aussenminister Mohammed Dschawad Sarif es formulierte, lässt Teheran offenbar bewusst Raum für Deeskalation.

Nach Ansicht vieler Experten ist vor allem Trump für die jüngste Zuspitzung im Konflikt mit dem Iran zuständig. Seine einseitige Aufkündigung des Atomabkommens im Mai 2018 und die Verhängung immer härterer Sanktionen hat Teheran heftig unter Druck gesetzt und dort zu einer Wirtschaftskrise geführt. Mit dem Rücken zur Wand stehend, hat sich der Iran daher immer aggressiver verhalten, so die Logik.

Im vergangenen Jahr hatte Trump Provokationen, für die der Iran verantwortlich gemacht wurde, - etwa Angriffe in der Strasse von Hormus, den Abschuss einer US-Drohne und einen grossen Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien - noch militärisch ungesühnt gelassen. Als Wahlkämpfer vertritt Trump eine klare Botschaft: Er will die «endlosen» Kriege im Nahen Osten beenden und die US-Soldaten nach Hause bringen. Doch als Präsident hat er immer mehr Truppen in die Region geschickt, um den Iran im Zaum zu halten. Allein vergangene Woche ordnete er die Verlegung von rund 4000 zusätzlichen Soldaten an. Er will auf keinen Fall als schwacher Präsident angesehen werden.

Ein Krieg mit dem Iran wäre für Trump ein Unterfangen mit ungewissem Ausgang: Anders als einst die Taliban in Afghanistan oder Saddam Hussein im Irak wäre der Iran ein gefährlicher und wesentlich stärkerer Gegner, der über seine Verbündeten zudem auch US-Truppen in anderen Länder des Nahen Ostens angreifen könnte. Die Kosten wären wohl immens - finanziell und in Bezug auf US-Opfer.

Zur Bühne der jüngsten Eskalation wird mit dem Irak das Land, das noch immer unter den Folgen des jahrelangen Kampfes gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und einer schweren politischen Krise leidet. Nirgendwo sind sich Amerikaner und Iraner so nahe wie hier. Gegen den IS kämpften sie sogar auf derselben Seite. Rund 5000 US-Soldaten sind in dem Krisenland stationiert. Teheran wiederum hat grossen Einfluss im Irak und pflegt enge Beziehungen zu den mächtigen pro-iranischen Milizen des Landes, deren hoher Anführer Abu Mahdi al-Muhandis bei dem US-Angriff in Bagdad ebenfalls getötet wurde.

Nach der Massentrauer um Soleimani verfolgten die Menschen im Iran die Entwicklung im bangen Warten auf möglichen Gegenschläge. Dort dürfte zunächst Erleichterung herrschen, trotz der Ankündigung neuer US-Sanktionen, deretwegen das Land bereits in einer akuten Wirtschaftskrise steckt. Die Unzufriedenheit der Iraner - und damit der Druck auf das Regime - dürfte indes weiter zunehmen. Nun blicken alle Augen auf die Führung in Teheran: Werden die Iraner die USA erneut herausfordern? Noch einmal würde Trump einen iranischen Angriff auf US-Soldaten oder amerikanische Interessen wohl nicht militärisch ungesühnt lassen.

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