Ziel erneuter israelischer Angriffe im Libanon sind diesmal Gebäude des Finanzinstituts der Hisbollah. Derweil bemüht sich Israels wichtigster Verbündeter USA um eine Deeskalation.
US-Vermittler Hochstein will sich um eine Deeskalation im Libanon bemühen. (Archivbild)
US-Vermittler Hochstein will sich um eine Deeskalation im Libanon bemühen. (Archivbild) - Marwan Naamani/ZUMA Press Wire/dpa

Israels Militär weitet den Krieg im Libanon auf Finanzeinrichtungen der proiranischen Hisbollah aus, die ein wichtiger Machtpfeiler der Schiiten-Miliz sind. Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete am Abend von erneut heftigen Luftangriffen in den als Dahija bekannten Vororten der Hauptstadt Beirut und anderen Landesteilen. Ins Visier gerieten diesmal auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah. Unterdessen wird heute US-Vermittler Amos Hochstein im Libanon erwartet, der sich um eine Deeskalation zwischen der Miliz und Israel bemüht.

Armee: Werden Irans Finanzierung der Hisbollah aufdecken

«In den kommenden Tagen werden wir aufdecken, wie der Iran die terroristischen Aktivitäten der Hisbollah finanziert, indem er zivile Einrichtungen, Verbände und Nichtregierungsorganisationen nutzt», sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Abend. Er forderte alle Menschen in der Nähe von Standorten des Hisbollah-Finanzinstituts in Beirut sowie anderen Landesteilen auf, sich umgehend von dort zu entfernen.

Kurz darauf schlug die Luftwaffe los. Die libanesische NNA meldete mindestens elf aufeinanderfolgende Angriffe in Beiruts Vororten. Auch ein Gebäude in unmittelbarer Nähe des einzigen internationalen Flughafens im Land sei getroffen worden. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie dunkle Rauchwolken vor den Landebahnen südlich von Beirut in den Himmel stiegen.

Das Hauptziel der Angriffe auf die Al-Kard Al-Hassan bestehe darin, «das Vertrauen zwischen der Hisbollah und einem grossen Teil der schiitischen Gemeinschaft zu erschüttern, die diese Vereinigung als Bankensystem nutzt», zitierte das «Wall Street Journal» einen israelischen Geheimdienstmitarbeiter. Einem Bericht des US-Finanzministeriums aus dem Jahr 2021 zufolge fungiert die Vereinigung unter dem Deckmantel einer Nichtregierungsorganisation (NGO) wie eine Bank der Hisbollah, die ohne Zulassung und behördliche Aufsicht Bankautomaten betreibt und Kredite vergibt.

Israels Armee zerstört Wohnviertel und Dörfer im Libanon

Zweck des Angriffs sei, die Hisbollah so zu treffen, dass sie auch nach dem Krieg nicht mehr in der Lage ist, sich wieder aufzubauen und neu zu bewaffnen, sagte ein ranghoher israelischer Militärbeamter der Zeitung vor Beginn der nächtlichen Angriffe, als sich in den Filialen des Finanzinstituts wahrscheinlich niemand aufhielt. Bislang hatte sich Israels Offensive im Libanon nach Angaben der Armee auf die militärische Infrastruktur der Hisbollah konzentriert, obwohl auch Wohngebäude zerstört und kommunale sowie andere zivile Infrastruktur getroffen wurde.

Die Hisbollah hat im Libanon Zehntausende Gefolgsleute, mit denen sie vor allem den Süden an der Grenze zu Israel, von Schiiten bewohnte Viertel Beiruts sowie die Bekaa-Ebene im Norden des Landes kontrolliert. Gleichzeitig gilt die Miliz als starke politische Macht im kurz vor dem Kollaps stehenden Libanon. Das Land leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise. Die Schäden infolge der andauernden israelischen Angriffe sind massiv. Im Süden des Landes zerstörte Israels Armee laut libanesischen Sicherheitskreisen mehrere Orte fast komplett. Ganze Wohngebiete in Beiruts Vororten liegen Augenzeugen zufolge in Schutt und Asche.

Nur noch Teile von Gebäuden übrig

Israels Angriffe gelten zwar der Hisbollah-Miliz, die seit gut einem Jahr täglich Raketen auf den Nachbarn Israel feuert. Doch unter dem Krieg leidet vor allem die Zivilbevölkerung. In den Vierteln am südlichen Stadtrand von Beirut, die als Hochburgen der Hisbollah-Miliz gelten, seien nur noch Reste von Gebäuden übrig, berichtete eine dpa-Reporterin. Auch die libanesische Armee, die sich in dem Konflikt eigentlich neutral verhält, vermeldet Verluste.

Die israelische Armee berichtete ihrerseits, fünf Soldaten seien im Südlibanon bei einem Gefecht getötet worden. Die Hisbollah feuerte im Laufe des Tages nach israelischen Angaben erneut etwa 200 Raketen auf den jüdischen Staat ab. Auch in der Nacht heulten im Norden Israels wieder die Warnsirenen, wie das Militär auf Telegram mitteilte. Nach einem der Hisbollah zugeschriebenen Drohnenangriff im Küstenort Caesarea, der laut der Regierung Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gegolten hatte, kündigte dieser weitere Schläge gegen Israels Feinde an.

US-Vermittler zu Gesprächen im Libanon

US-Vermittler Hochstein führt am Montag in Beirut Gespräche mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten des Libanons, Nadschib Mikati, und dem Parlamentssprecher und Hisbollah-Verbündeten Nabih Berri, wie Regierungskreise der dpa bestätigten. Seit der ersten Wahl nach Ende des Bürgerkriegs 1992 ist die Hisbollah, die politisch und militärisch vom Iran unterstützt wird, im Parlament vertreten. Sie engagiert sich karitativ, besitzt aber auch einen militärischen Arm, dem nach Schätzungen Zehntausende Kämpfer angehören. Dieser wird von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland gilt seit 2020 ein Betätigungsverbot für die gesamte Hisbollah.

Hochstein bemüht sich schon seit Monaten um eine Deeskalation zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel. Auch US-Aussenminister Antony Blinken wird nach Angaben von Vizepräsidentin Kamala Harris in den kommenden Tagen zu Gesprächen mit den Konfliktparteien in den Nahen Osten reisen. «Wir brauchen ein Ende des Krieges», sagte Harris in einem TV-Interview. Medienberichten zufolge wird Blinken am Dienstag in Israel erwartet.

Auch US-Aussenminister Blinken reist erneut in den Nahen Osten

«Die Zahl der unschuldigen Palästinenser, die im Gazastreifen getötet wurden, ist wirklich unerhört, und wir müssen da ehrlich sein», fügte Harris hinzu. Gleichzeitig werde sie immer für Israels Recht auf Selbstverteidigung eintreten.

Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas und anderer extremistischer Islamisten auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. In der Folge des Krieges eskalierten auch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Benjamin NetanjahuKamala HarrisWall StreetParlamentRegierungLuftwaffeSchiitenHamasKriegStaatSchweizer ArmeeHisbollah