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Nur Bares ist Wahres: Die Argentinier und ihr US-Dollar

Keystone-SDA
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Argentinien,

Die seit Jahrzehnten andauernde Finanzkrise hat die Menschen in Argentinien misstrauisch gemacht. Wenn es um ihr Geld gehen, setzten sie auf Cash: In kaum einem anderen Land haben die Menschen so viel Bargeld unter dem Kopfkissen.

US-Justiz
Die US-Justiz hat Anklage gegen sechs Banker aus dem Umfeld der Zürcher Privatbank Ihag erhoben. Sie sollen US-Kunden geholfen haben, Steuern in Höhe von mehr als 60 Millionen Dollar zu hinterziehen. (Archivbild) - keystone

Der Elektriker staunte nicht schlecht, als er bei der Renovierung einer Wohnung in Buenos Aires neue Kabelschächte zog.

Hinter der Wand entdeckte er mehrere Rollen mit Dollar-Scheinen - alte Banknoten, die ein Vorbesitzer dort versteckt und offenbar vergessen hatte.

In keinem anderen Land der Welt ausserhalb der USA sind so viele Dollarnoten im Umlauf wie in Argentinien. Nach Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers und früheren Zentralbankers Nicolás Gadano besitzen die Argentinier 200 Milliarden US-Dollar in bar. Das sind 10 Prozent aller sich im Umlauf befindenden Dollar-Scheine weltweit - und 20 Prozent aller Dollars ausserhalb der Vereinigten Staaten.

«Der Dollar ist ein Instrument vieler Familien, um zu sparen, um sich gegen die Inflation zu schützen, um den Wert der Einkünfte zu bewahren», sagte die Soziologin und Co-Autorin des Buches «Der Dollar: Die Geschichte einer argentinischen Währung», Mariana Luzzi, zuletzt in einem Interview. «Der Dollar funktioniert ausserdem wie eine Art Thermometer für die wirtschaftliche und politische Realität in Argentinien.»

Pro Kopf verfügen die Argentinier sogar über mehr Dollars in bar als die US-Bürger. Jeder Argentinier hat 4400 US-Dollar auf der hohen Kante, während die US-Sparer durchschnittlich lediglich über 3083 Dollar in bar verfügen.

Die Obsession der Argentinier für Bargeld rührt aus einem tiefen Trauma. Während der Finanzkrise 2001 fror die Regierung des damaligen Präsidenten Fernando de la Rúa die Bankeinlagen ein. Die Sparer durften nur 250 Pesos pro Woche bar abheben. Seitdem vertrauen die Argentinier nicht mehr auf die Banken und horten ihr Erspartes lieber daheim - im Tresor, unter der Matratze, zwischen Büchern, auf dem Dachboden.

Im Internet gibt es zahlreiche Tipps, wie die Scheine am besten aufbewahrt werden. Die Dollars sollten möglichst kühl bei Temperaturen zwischen 10 und 20 Grad und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 30 und 50 Prozent gelagert werden, heisst es da beispielsweise. Um Schimmel fernzuhalten, wird dazu geraten, die Scheine in Alufolie einzuschlagen und dann in luftdichten Plastiktüten zu verstauen.

Dennoch kommt es immer wieder zu Malheurs: Mal befallen Insekten die Ersparnisse, mal dringt Feuchtigkeit ein und weicht die Scheine auf, mal sind die Scheine so gut versteckt, dass die Sparer sie nicht wiederfinden. Mehrere Unternehmen haben sich in Argentinien bereits darauf spezialisiert, beschädigte Dollarnoten mit Abschlag aufzukaufen.

Die grosse Menge an Bargeld in den Wohnungen und Häusern kann aber auch eine Gefahr darstellen. Da Kriminelle davon ausgehen können, dass selbst Familien aus einfachen Verhältnissen mindestens ein paar Tausend Dollar in bar zu Hause haben, kommt es oft zu brutalen Überfällen. Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen Räuber in Häuser eindringen und die Bewohner foltern, bis sie ihnen das Versteck ihrer Dollar-Ersparnisse verraten.

Der heissen Liebe für den Dollar steht in Argentinien eine tiefe Verachtung für die Landeswährung gegenüber. Bei einer Inflationsrate von über 50 Prozent verliert der argentinische Peso so schnell an Wert, dass er möglichst schnell ausgegeben wird. Zum Sparen eignet sich nur der Dollar. Offiziell dürfen die Argentinier allerdings nur 200 US-Dollar pro Monat erwerben. Deshalb blüht der Schwarzmarkt.

«Cambio, Cambio» schallt es durch die Calle Florida in der Innenstadt von Buenos Aires. Dutzende Geldwechsler, sogenannte «Arbolitos» (Bäumchen), versuchen, die Kunden in die «Cuevas» (Höhlen) zu locken. Zwar ist das Geschäft der illegalen Wechselstuben verboten, ernsthaft gehen die Behörden allerdings nicht dagegen vor. Der Schwarzmarktpreis des Dollars steht sogar jeden Tag in der Zeitung - mittlerweile ist er fast doppelt so hoch wie der offizielle Wechselkurs.

Die seit Jahrzehnten andauernde Dauerkrise hat die Argentinier zu wahren Finanzmarktexperten gemacht. Nicht selten schweift das Gespräch mit dem Taxifahrer nach ein bisschen Geplänkel über Fussball weiter zu einer Diskussion über den Internationalen Währungsfonds, die Inflation, das Länderrisiko und den Dollar-Preis.

Doch nicht nur unter dem Kopfkissen horten die Argentinier enorme Dollar-Schätze. Rund 400 Milliarden US-Dollar haben argentinische Sparer und Unternehmen nach Schätzungen der Zentralbank im Ausland angelegt - weit mehr als die gesamte Auslandsschuld von Argentinien. «Wir brauchen einen Kapitalmarkt, der in der Lage ist, Ersparnisse in Investitionen und Finanzierungen umzuwandeln», sagte Zentralbankpräsident Miguel Ángel Pesce zuletzt. Dafür müssten die Argentinier allerdings erst wieder Vertrauen in die Wirtschaft ihres Landes fassen.

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