Pekings Vorgehen gegen Nachhilfeschulen löst Kurssturz aus
Chinas Regierung hat weitreichende Regeländerungen für private Nachhilfeinstitute angekündigt. Während Schüler sich über mehr Freizeit freuen können, reagieren Investoren besorgt.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine zunehmende Regulierung der chinesischen Privatwirtschaft durch die Regierung belastet die Börsen des Landes.
Der Hang-Seng-Index in Hongkong fiel am Montag um dreieinhalb Prozent.
Für den CSI-300-Index, der die Aktien der 300 grössten börsennotierten Unternehmen vom chinesischen Festland beinhaltet, ging es ebenso deutlich abwärts.
Hintergrund ist, dass die chinesische Regierung am Wochenende eine Reform des privaten Bildungssektors angekündigt hat. Unternehmen, die Schullehrprogramme unterrichten, dürfen demnach keine Gewinne mehr erzielen oder an die Börse gehen. Den Instituten wurde untersagt, Schüler am Wochenende zu unterrichten. Akademische Angebote für Kinder unter sechs Jahren müssen komplett eingestellt werden. Die Auflagen dürften die 100 Milliarden Dollar schwere Branche zu teuren Änderungen zwingen.
Ziel soll mehr Gerechtigkeit sein
Ziel sei es, die Belastung der Schüler durch übermässige Hausaufgaben und Nachhilfe nach der Schule zu reduzieren. Auch solle unterbunden werden, dass Eltern viel Geld für die ausserschulischen Angebote ausgeben müssen. Chinesische Staatsmedien kommentierten, dass dies ein Schritt sei, um für mehr Gerechtigkeit im Bildungssektor zu sorgen. Denn bisher würden Schüler benachteiligt, deren Familien sich die teueren Zusatzangebote nicht leisten können.
Tatsächlich herrscht in China eine Kultur, in der Eltern erhebliche Mittel aufbringen, um ihren Kindern zu möglichst guten Schulnoten zu verhelfen. Die privaten Institute richten ihre Angebote so nicht nur an schwächere Schüler, die in ihrer Klasse nicht mitkommen. Auch für die Besten eines Jahrgangs war es bislang ganz normal, am Wochenende privaten Unterricht zu buchen, um so noch besser abschneiden zu können, als ohnehin schon.
Die «Grosse Prüfung» im Blick
Viele Familien haben vor allem die «Gaokao» (Grosse Prüfung) im Blick, die massgeblich über das zukünftige Leben der Schulabgänger entscheidet. Wer bei der «Gaokao» eine hohe Punktzahl holt, kann sich für die besten Hochschulen in China bewerben. Wer schlecht abschneidet, dem bleibt in der Regel bloss der Gang zu Mittelklasse-Hochschulen, was später oft Auswirkungen auf Job-Angebote hat.
Investoren gingen davon aus, dass Firmen in dem Bereich durch die Regierungsankündigung fast sämtliche Wachstumsaussichten genommen wurden. Seit Freitag, als erste Berichte über die Veränderungen bekannt wurden, ging es für betroffene Firmen, denen Analysten bis vor Kurzem noch blendende Aussichten bescheinigt hatten, steil bergab. New Oriental, eines der grössten privaten Bildungsunternehmen in China, verlor seitdem an der Hongkonger Börse 75 Prozent an Wert. Auch für den chinesische Internet-Giganten Tencent, der stark im Bildungssektor investiert, ging es deutlich abwärts.
Die Aufsichtsbehörden in Peking hatten zuletzt eine ganze Reihe chinesischer Internet-Firmen ins Visier genommen und strengere Regeln für sie angekündigt. Im April hatten Chinas Wettbewerbshüter eine Rekordstrafe in Höhe von 18 Milliarden Yuan (2,3 Mrd Euro) gegen den chinesischen Internet-Riesen Alibaba verhängt. Im vergangenen Jahr musste Alibaba zudem kurzfristig auf Anordnung der Behörden den Börsengang seiner Finanztochter Ant Group absagen.
Seit Anfang Juli steht zudem der chinesischen Fahrdienst-Vermittlers Didi Chuxing unter Druck. Kurz nachdem das Unternehmen an die New Yorker Börse gegangen war, ordneten die Behörden in China die Löschung der App aus allen App-Stores an.