Seekorridor für Gaza – Biden will keine weiteren 30'000 Todesopfer

Keystone-SDA
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Liberia,

Benjamin Netanjahu wurde von US-Präsident Joe Biden darum gebeten, die Zivilbevölkerung zu schützen und sich zurückzuhalten.

Schiff
Hafenmitarbeiter bereiten Hilfsgüter für den Gazastreifen auf einer Plattform neben dem angedockten Schiff der Hilfsorganisation «Open Arms» vor. Das Schiff der spanischen Hilfsorganisation soll zum Auftakt eines angekündigten Seekorridors zunächst rund 200 Tonnen Lebensmittel von Zypern aus transportieren und in den nächsten Tagen eintreffen, wie der britische Sender BBC meldete. Foto: Petros Karadjias/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Petros Karadjias

Eine Waffenruhe im Gaza-Krieg vor Beginn des Ramadan erscheint nicht in Reichweite. US-Präsident Joe Biden rief den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu erneut zur Zurückhaltung und zum Schutz der Zivilbevölkerung auf. Derweil laufen die Vorbereitungen für Hilfstransporte für die Not leidende Bevölkerung im Gazastreifen auf dem Seeweg. Das Schiff «Open Arms» der gleichnamigen spanischen Hilfsorganisation lag am Sonntag mit Hilfsgütern fertig beladen im Hafen des zyprischen Larnaka, um in See zu stechen. Es sollte nach Regierungsangaben bis Sonntagabend starten. Larnaka liegt rund 400 Kilometer vom Gazastreifen entfernt.

Das Schiff sei mit rund 200 Tonnen Trinkwasser, Medikamenten und Lebensmittel beladen, sagte ein Sprecher der zyprischen Regierung der Deutschen Presse-Agentur. Es handele sich um eine Probefahrt entlang der Route eines geplanten Hilfskorridors, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der zyprische Präsident Nikos Christodoulidis am Freitag angekündigt hatten. An den Hilfslieferungen über die kleine EU-Republik und auf dem Seeweg wollen sich mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, sowie verschiedene Organisationen beteiligen.

Wo genau das Schiff anlanden und wie die Hilfe dann zu den Menschen gelangen soll, war zunächst unklar. Das Anliefern der Güter gilt als grosse Herausforderung, weil es im Gazastreifen nur einen kleinen Fischerhafen gibt, der nicht tief genug für Frachtschiffe ist. Das US-Militär will deshalb gemeinsam mit internationalen Partnern einen temporären Hafen einrichten, dessen Bau aber zwei Monate dauern wird.

Deutschland beteiligt sich an Seekorridor

Das US-Militär transportierte unterdessen erste Ausrüstungsgüter für die Errichtung dieser provisorischen Schiffsanlegestelle in die Region. Das teilte das zuständige Regionalkommando Centcom am Samstagabend (Ortszeit) auf der Plattform X, ehemals Twitter, mit.

Die USA und internationale Partner wollen auf diese Weise Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet bringen. Die israelische Armee erklärte sich bereit, zusammen mit den US-Streitkräften den Bau zu koordinieren.

Biden: Netanjahu schadet Israel mehr, als dass er Israel hilft

US-Präsident Biden beschrieb die Lage der Menschen in Gaza am Samstag als «verzweifelt». Er betonte zwar, die Verteidigung Israels sei «immer noch von entscheidender Bedeutung». Auch werde er die Seite Israels nie verlassen. Zugleich übte der US-Präsident aber deutliche Kritik am Vorgehen des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu. «Er schadet Israel mehr, als dass er Israel hilft», sagte Biden. «Ich glaube, das ist ein grosser Fehler.» Netanjahu müsse den unschuldigen Leben grössere Aufmerksamkeit schenken, die als Konsequenz der ergriffenen Massnahmen verloren gingen. Zuletzt hatten ranghohe Vertreter der US-Regierung den Ton gegenüber Israels Regierung zunehmend verschärft.

Biden warnte auch vor den Auswirkungen einer möglichen Bodenoffensive der israelischen Armee in Rafah. In der an Ägypten grenzenden Stadt suchen derzeit 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum Schutz vor den Kämpfen in anderen Gebieten des abgeriegelten Küstengebiets. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass als Konsequenz aus dem Vorgehen gegen die Hamas weitere 30'000 Palästinenser sterben, mahnte Biden in einem Interview.

Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden bislang mehr als 31'000 Menschen im Gazastreifen getötet. Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, bei dem Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel rund 1200 Menschen ermordet und 250 entführt hatten.

Tausende Israelis demonstrieren gegen Netanjahu

Bei Demonstrationen in Paris und London forderten am Samstag Medienberichten zufolge Zehntausende Menschen eine sofortige Waffenruhe im Gaza-Krieg. Auch im eigenen Land steht Netanjahu unter Druck. Tausende Menschen protestierten am Samstagabend in Tel Aviv und anderen israelischen Städten für die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas und gegen Netanjahus Regierung.

Nahe dem Sitz des Verteidigungsministeriums hielt die Polizei Demonstranten davon ab, eine Stadtautobahn zu blockieren, berichteten israelische Medien. Die Behörde nahm 16 Personen fest. In Caesarea zog eine grosse Menschenmenge vor eine private Villa Netanjahus.

Israels Polizei nimmt vor Ramadan-Beginn Verdächtige in Ost-Jerusalem fest

Israels Polizei nahm eigenen Angaben zufolge in den vergangenen zwei Wochen auch 20 Einwohner aus dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems fest. Den Verdächtigen werde vorgeworfen, Terrorismus zu unterstützen oder dazu anzustiften, teilte die Polizei mit. Im Internet werden demnach derzeit vermehrt Hetze und Fake News verbreitet, um den muslimischen Fastenmonat Ramadan zu stören und die Region zu destabilisieren.

Israels Polizei will eigenen Angaben nach «die sichere Einhaltung der Ramadan-Gebete auf dem Tempelberg ermöglichen und gleichzeitig die Sicherheit in der Gegend gewährleisten». Der Fastenmonat sollte voraussichtlich am Sonntagabend beginnen. In Israel wird in der Zeit mit gesteigerten Spannungen und Konflikten im besetzten Westjordanland und rund um die heiligen Stätten in der Altstadt von Jerusalem gerechnet.

Die Hamas im Gazastreifen ist nach Einschätzung des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad bestrebt, die Region im «Ramadan in Brand zu setzen». Die USA hatten ursprünglich darauf gedrängt, eine Einigung über eine Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der Hamas bis zum Beginn des Ramadan unter Dach und Fach zu bringen. Ein von den Vermittlern vorgeschlagenes und von Israel akzeptiertes Abkommen scheiterte jedoch bislang aus israelischer und amerikanischer Sicht an der unnachgiebigen Haltung der Hamas.

Hamas hält an Forderungen fest

Seit Wochen verhandeln Israel und die Hamas in indirekt geführten Gesprächen über eine befristete Waffenruhe. Das Mitglied im Hamas-Politbüro, Husam Badran, sagte dem «Wall Street Journal», die Islamisten seien zu weiteren Gesprächen bereit. Zugleich aber bekräftigte er die Bedingungen der Hamas. Dazu zähle ein dauerhafter Waffenstillstand, ausreichende Hilfsgüter über sämtliche Grenzübergänge, ein Plan für den Wiederaufbau des Küstengebiets und ein kompletter Rückzug des israelischen Militärs.

Der Vermittlervorschlag sah bisher nur eine sechswöchige Waffenruhe und eine erste Phase des Austauschs von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge vor. Während dieser Feuerpause soll dann über einen dauerhaften Waffenstillstand und die Modalitäten der Freilassung aller übrigen Geiseln verhandelt werden. Israel hat bislang keine Bereitschaft gezeigt, von diesem Stufenplan abzurücken.

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