Syrien-Helfer: «Hunderte Menschen warten noch immer auf ihre Kinder»
Die Welt zeigt sich nach der Erdbeben-Katastrophe solidarisch. Ein grosser Teil der Hilfe erreicht aber nur die Türkei. In Syrien herrscht derweil Verzweiflung.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien steigen die Todeszahlen weiter an.
- Die Hilfe der internationalen Gemeinschaft kommt aber nur bis in die Türkei.
- Im stark betroffenen Rebellengebiet in Syrien ist die Lage dramatisch.
Nach dem schweren Erdbeben mit aktuell über 21'000 Toten in der Türkei und Syrien schwindet langsam die Hoffnung, weitere Überlebende zu finden. Internationale Hilfe für die Opfer erreicht dabei vor allem die Katastrophengebiete in der Türkei. In Syrien fehlt es derweil an allem.
Hilfslieferungen kommen dort aufgrund von Regierungsblockaden kaum an. «Wir sind allein mit dieser Katastrophe», erzählt Ismail Alabdullah dem «Spiegel». «Und diese Katastrophe ist grösser als wir», so der Sprecher der Weisshelme, einer syrischen NGO, die in den Oppositionsgebieten versucht, Leben zu retten.
Alabdullah verzweifelt ob der Situation: «Hunderte Menschen warten noch immer auf ihre Kinder, auf ihre Angehörigen, die unter den Trümmern eingeschlossen sind. Und die Zeit ist gegen uns. Sie läuft uns davon.»
Nur ein Team konnte Grenze passieren
Bisher sei nur ein technisches Team aus Ägypten über den türkisch-syrischen Grenzübergang Bab al-Hawa gelassen worden. Das Team hilft in Dschindires, wo 40 Prozent aller Häuser zerstört sind.
Das Beben sei schlimmer als Luftangriffe, so Alabdullah: «Wir sind rund um die Uhr an etwa hundert verschiedenen Orten aktiv, aber für so etwas sind wir nicht ausgerüstet. Wir sind es gewohnt, nach Luftangriffen Leute aus Trümmern zu bergen. Aber bis jetzt hatten wir es in schlimmen Fällen mit zwei, drei Gebäuden auf einmal zu tun, vielleicht fünf.» Jetzt seien mehr als 250 Gebäude zerstört.
Assad benutzt Hilfslieferungen als Druckmittel
Die Luftwaffe des Assad-Regimes nehme seit Jahren die Spitäler der Region ins Visier, sagt Alabdullah. Viele Ärzte wurden getötet oder sind darum geflohen, schon vor der Corona-Pandemie. «Und jetzt haben wir Tausende von Verletzten. Die Spitäler können unmöglich so viele Leute aufnehmen.»
Die Provinz Idlib im dicht besiedelten Nordwesten, eine letzte Hochburg von Aufständischen, ist faktisch isoliert vom Rest des Landes. Rund 2000 Tote und 5000 Verletzte wurden allein dort gemeldet. Die Zahlen dürften weiter steigen.