Nach dem Putsch im Sudan sollten Militär und Opposition gemeinsam einen Weg zur Demokratie finden. Doch die Militärführung entschied anders. Das hat Konsequenzen.
Die Revolution im Sudan, die den Langzeitmachthaber Omar al-Baschir stürzte, ist in ein Blutbad verwandelt worden. Foto: AP/dpa
Die Revolution im Sudan, die den Langzeitmachthaber Omar al-Baschir stürzte, ist in ein Blutbad verwandelt worden. Foto: AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Erst liess die Militärführung im Sudan Demonstrationen niederschlagen, dann kündigte sie alle Vereinbarungen mit der zivilen Opposition für eine friedliche Machtübergabe auf.
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Stattdessen solle innerhalb von sieben Monaten gewählt werden, teilte der militärische Übergangsrat mit.

Zuvor war die Rede von neun Monaten. Angesichts der innenpolitischen Krise warnen Experten vor Spaltungen innerhalb der Sicherheitsorgane, weiterer Gewalt bis hin zum Bürgerkrieg sowie der Einflussnahme mächtiger regionaler Akteure.

Sicherheitskräfte hatten am Montag gewaltsam eine Sitzblockade im Zentrum Khartums aufgelöst, die zum Symbol der Revolution im Sudan geworden war. Mit Tränengas und scharfer Munition gingen sie gegen Demonstranten vor, wie Augenzeugen, Ärzte und Oppositionsvertreter berichteten. Dabei seien mindestens 35 Menschen getötet und mehr als 100 weitere verletzt worden, teilte ein Ärzteverband mit. Zudem wurde in vielen Teilen des Landes das Internet abgeschaltet. Die Opposition rief zu zivilem Ungehorsam und friedlichen Protesten auf, international hagelte es Kritik.

Die Vereinten Nationen äusserten sich vor einer Sondersitzung des Sicherheitsrats am Dienstagabend besorgt: «Es ist sehr wichtig, dass keine exzessive Gewalt eingesetzt wird», sagte Stéphane Dujarric, der Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres. Die für Todesfälle Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Der militärische Übergangsrat im Sudan «bereut» nach eigenen Angaben die Ereignisse und versprach, Ermittlungen einzuleiten. Etliche Demonstranten gingen Augenzeugen zufolge am Dienstag erneut auf die Strassen Khartums und riefen auch Parolen gegen den Übergangsrat.

Nach drei Jahrzehnten an der Macht war der sudanesische Präsident Omar al-Baschir im April von den Streitkräften gestürzt worden. Dem Putsch waren monatelange Massenproteste vorausgegangen. Der grosse Flächenstaat im Nordosten Afrikas mit 41 Millionen Einwohnern gehört zu den 25 ärmsten Ländern der Welt und steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, was die Proteste ausgelöst hatte. Seit dem Putsch rangen das Militär und die Opposition um die Bildung einer Übergangsregierung. Die Gespräche brachen kürzlich zusammen, da sich beide Seiten nicht einigen konnten, wer die Regierung leiten sollte.

Für die Unterdrückung der Proteste am Montag machten viele nicht die Armee, sondern die berüchtigten Schnellen Einsatztruppen (RSF) verantwortlich. Die paramilitärische Truppe wird von Mohammed Hamdan Daglu (genannt Hemeti) geleitet, dem zweiten Mann im Übergangsrat. Augenzeugen berichteten am Montag von Mitgliedern der RSF, die an der Auflösung der Sitzblockade beteiligt gewesen seien. Auch am Dienstag seien auf den Strassen Khartums etliche Mitglieder und Fahrzeuge der RSF zu sehen gewesen, sagte Demonstrant Faisal Ali.

«Das grösste Risiko ist nun eine Spaltung der Sicherheitsorgane», twitterte Rashid Abdi von der Denkfabrik International Crisis Group. Es gebe Anzeichen, dass nicht alle Teile der Militärführung mit den Geschehnissen vom Montag und der zunehmenden Macht Hemetis einverstanden seien, sagt Experte Andrews Atta-Asamoah von dem Institut International Security Studies. Es müsse sich noch zeigen, ob und wie solch eine Spaltung verlaufen werde. Doch auch die Denkfabrik Soufan Center warnte, es gebe «ein reales Risiko, dass die Lage in einen vollen Bürgerkrieg ausarten könnte».

Die Militärführung und vor allem Hemeti geniessen Experten zufolge die Unterstützung besonders mächtiger Akteure: Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Saudi-Arabien. Sie alle würden im Sudan stark Einfluss nehmen, sagt Atta-Asamoah. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi kann demnach etwa durch seinen derzeitigen Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) dort Unterstützung für die Militärführung mobilisieren. Saudi-Arabien und die VAE würden dem Land finanziell kräftig unter die Arme greifen und unter anderem Hemeti mit Waffen und Ausrüstung versorgen, so das Soufan Center.

Die drei Regionalmächte wollen den Experten zufolge aus unterschiedlichen Gründen die Geschehnisse im Sudan steuern - doch vor allem, um zu verhindern, dass sich die Protestbewegung in anderen Ländern der arabischen Welt ausbreitet.

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