Wird in Indien Homosexualität legalisiert?
Das Wichtigste in Kürze
- Am Donnerstag könnte das Oberste Gericht in Indien Homosexualität legalisieren.
- Der Paragraph ist ein Relikt aus der britischen Kolonialzeit aus den 1860er Jahren.
Indiens Oberstes Gericht entscheidet voraussichtlich am Donnerstag über ein Gesetz aus der Kolonialzeit, das Homosexualität unter Strafe stellt. Rechtsanwältin Tripti Tandon, die Gegner des Paragraphen 377 vertritt, bestätigte der Nachrichtenagentur AFP heute Mittwoch, dass das Urteil für diesen Tag angekündigt sei. Rituparna Borah von der Interessensvertretung Nazaria setzte «grosse Hoffnungen» in die Entscheidung. «Das Gesetz sollte es eigentlich überhaupt nicht geben», sagte sie.
Paragraph 377 ist ein Relikt der britischen Kolonialgesetzgebung aus den 1860er Jahren. Es bestraft Homosexualität als «Geschlechtsverkehr wider die Natur» mit dem Höchststrafmass lebenslänglicher Haft. Ein örtliches Gericht in Neu Delhi hatte Homosexualität im Jahr 2009 zwar gewissermassen legalisiert. Das Oberste Gericht führte nach Beschwerden religiöser Gruppen die Strafbestimmungen 2014 aber wieder ein.
In einem anderen Bereich zeigte sich Indiens Oberstes Gericht liberaler. Nur einen Monat nach der umstrittenen Entscheidung zum Verbot gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehrs erkannten die Richter Transsexuelle offiziell als drittes Geschlecht an.
Religiöse Gruppen laufen Sturm
Seit 2016 wurden mehrere Anträge für die Abschaffung des Paragraphen 377 eingereicht, seit Juli hat das Oberste Gericht diese angehört. Religiöse Gruppen laufen Sturm gegen eine mögliche Legalisierung von Homosexualität.
Offiziellen Statistiken zufolge wurden 2016 insgesamt 2187 Fälle «unnatürlicher Vergehen» registriert. Sieben Menschen wurden verurteilt.
Gleichgeschlechtlicher Sex ist besonders in den ländlichen Gebieten Indiens ein Tabu-Thema. Homophobie ist weit verbreitet, einige sehen Homosexualität nach wie vor als Geistesstörung an. Etwa jede dritte lesbische Frau hat einer neuen Umfrage zufolge körperliche Misshandlungen und Vergewaltigungen durch Verwandte erlitten.